Ein neues Kapitel – Mitten zwischen Ende und Anfang

Es ist unbeschreiblich. Ich finde kaum Worte. Sobald ich mich frage, wie es mir gerade geht, überrollt mich zwangsläufig eine Lawine an Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen, Eindrücken, Worten, Stimmen, Emotionen, Zweifeln, Hoffnungen und immer wieder ein Seufzen aus einer sich lösender Tiefe mit Herzpochen und Bauchflattern. Ich bin erschöpft, aber glücklich. Frei und verunsichert, fühle mich so dazwischen an. Zwischen was? Das weiß ich nicht.

Wir haben unser wunderschönes, selbstentworfenes und gebautes Traumhaus verkauft, haben alles dafür gemacht, dass unsere Kinder eine glückliche Zeit haben und beginnen doch ein neues Lebenskapitel ohne das Haus, ohne den bisherigen Alltag ohne auch nur eine Ahnung zu haben wie es ausgehen wird. Keine Ahnung, aber Vertrauen. Vertrauen, dass der Autor schon ein cooles Buch für uns schreiben wird. Denn so betrachte ich gerade unser Leben. Wie ein Buch, und ein Kapitel ist nun zu Ende, ein Neues beginnt und es scheint überraschenderweise ein Abenteuerroman zu bleiben. Immer wieder spannend, auf und ab, hoch und tief, quer durch die Welt, hoffentlich schön zu lesen mit einem tollen Happy End und vielen Happy Dazwischen.

Mein Dasein ist also gerade ein Dazwischen und meine Gefühle wollen noch nicht so richtig zur Ruhe kommen pendeln aber eher so Richtung Happy. Gleichzeitig merken wir wie die letzten Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre gezerrt haben an unseren Kräften. Matthias und ich haben die letzten Wochen von früh morgens bis spät abends ausgemistet, eingepackt, organisiert, weiter gepackt, gehoben, verhoben, geschoben, verschoben, geschleppt, verschleppt, getragen, uns vetragen, gemessen, gewogen…

Ja. Wir haben den Laster gewogen. Wir wollten als der Laster etwa zwei Drittel voll war einfach kurz wissen, ob wir noch eine halbe oder eine ganze Tonne an Zuladung übrig haben. Matthias kam wieder und meinte die gute Nachricht sei, dass der Laster noch nicht überladen sei… Wenn man noch das Gewicht eines vollen Tanks sowie des Fahrers hinzufügt, bleiben uns noch sage und schreibe 40 Kilo. Das sind drei Umzugskartons. Und das Haus ist noch halb voll. Nein, hilft auch nicht viel, wenn man mich als Fahrerin einrechnet. Nach dem ersten Schock organisieren wir innerhalb von zwei Stunden einen kleinen Lager-Container bei einem sehr freundlichen, jungen Mann, unterschreiben den Vertrag und träumen davon, jetzt tatsächlich alles mitnehmen zu können, an dem die Mädels so hängen. Das haben wir ihnen versprochen, da wir sicher sind, es hilft, all das Vertraute von daheim in das neue Zuhause mitzunehmen.

Tatsächlich finden wir zwischendrin auch noch Momente um ein wenig Kraft zu tanken. Genießen mit Freunden ein letztes Mal unseren Tausendwunderwald und veranstalten ein Extreme-Hängematting-Lager. Wir pflanzen dort unser hässliches Entlein von Lieblings-Weihnachtsbaum ein, der uns seit drei Jahren begleitet immer wieder rein geholt wurde und der einzige Überlebende ist von all den vorherigen Versuchen, den ärmsten, unschönsten Christbaum zu kaufen, zu retten um ihn später einzupflanzen. Ach stimmt, nicht ganz. Unser erster, lebender Weihnachtsbaum damals 2012 hat es auch geschafft und wächst und gedeiht nun bei unserem nicht-mehr-unserem roten Haus in Much.

So manches ist echt schwer loszulassen und treibt mir immer wieder die Tränen in die Augen. All die Bäume, Sträucher, Rosen, Wein, Kletterpflanzen, Blumen, Tomaten, Kräuter, das Panorama, die Schafe, Kühe, Pferde, Eiche, Rehe, Wühlmäuse (ach nee, die nicht), Milane, Wildgänse, Krähen, Abendsonne, Morgensonne, unsere Holztreppe, der begrüßende Geruch von Holz, das marokkanische Bad, der Pool. Ganz schwer war es unseren Mega-Sommerflieder zu verlassen, der uns seit Beginn des Hausbaus begleitet. Von einer dreijährigen Maja versehentlich ausgesät, versehentlich übertrampelt, mit Paletten beworfen, mit Schutt überladen, hat er das Wunder vollbracht zu einem sechs Meter hohen und breiten Magneten für Bienen, Hummeln und Millionen Schmetterlingen zu werden. Ich bin so dankbar eine so wundervolle Zeit in diesem Haus verbringen zu dürfen und gebe es dennoch gerne weiter. Die Erinnerungen bleiben und das Haus bleibt ein Teil von uns. Und der Flieder auch. Ich habe einen kleinen Ableger gefunden, ausgegraben und in einen Topf gepflanzt und eines Tages in schwedische Erde…

Zeit also zu gehen um das passende Stückchen Erde für den nächsten Flieder zu finden. Wir brauchen also definitiv Platz. Platz zum Wachsen, Platz zur Entfaltung, Platz für Fünf, Platz zum Leben und Arbeiten (ach Quatsch, das wollte ich ja nicht mehr trennen), Platz für neue Erinnerungen, einen neuen Platz für neue Kapitel unserer Lebensgeschichte. Damit sie abenteuerlich bleibt und ich auch nicht unbedingt wissen will, wie und wann das nächste Kapitel endet.

Dieses Kapitel endet nun mit vier Tagen Schufterei, da irgendwann der Container voll ist, die wichtigsten Sachen immer noch nicht verstaut sind und wir einfach alles nur noch in Taschen und Kisten packen und dankbarerweise erstmal alles bei meiner Mama in ein Zimmer werfen. Am Ende schaffen wir nicht alle Menschen mehr zu sehen, die wir noch umarmen wollten, können wir nicht jeden verabschieden, Nachrichten werden in knappen Worten beantwortet oder gar nicht, weil die Aufnahmekapazität unseres hochentwickelten Gehirns wegen Überfüllung schließt. Entschuldigt dafür. Aber wie eine gute Freundin meinte: „Ich brauche mich nicht zu verabschieden von euch. Wir sehen uns ja wieder“. Genau das! Nur weil bei uns ein Kapitel endet, ist es nicht das Buch, das endet und auf die Seite gelegt wird. Das Kapitel endet auch mit einer Ladung Sperrmüll, der uns allen beim Zusehen der Vernichtung die Tränen in die Augen treibt, mit der Hausübergabe an zwei liebevolle Menschen, einen tränenreichen Abschied von Herzensmenschen, letzte Vorkehrungen bei unseren abgestellten Anhängern und Laster, einem Besuch bei der Eisdiele, Überraschungszimtschnecken meiner Cousine und ein Auffangen bei meiner Mama. Vier Tage sollen es insgesamt hier in Schildgen werden, in denen wir das letzte Chaos noch vernichten, Zeug organisieren, anmelden, ummelden, abmelden und den Toyo packen. Gleichzeitig bekommen wir und vor allem die Kinder einen sanften Übergang in unseren neuen Lebensabschnitt.

Ein Dazwischenleben, in dem zu viel zu tun ist um zu überlegen wie es mir geht. Ich fühle mich halt so dazwischen. Doch zwischendurch während ich hier schreibe, kann ich herauslesen, dass es uns zwischen all den Zeilen, Leben und Kapiteln gut geht. Ein happy unhappy Dazwischen.

Morgen am Sonntag ist es also (un)wirklich soweit. Wir beginnen das nächste Kapitel mit… Uuuuurlaub! Wir fahren spontan an einen traumhaften Ort zu traumhaften Menschen an die Müritzer Seenplatte. Ich befürchte fast wir wollen den Moment noch ein wenig hinauszögern an dem wir schwedischen Boden betreten. Aber nein, wir genießen es einfach spontan Pläne zu ändern, die es nicht gab und dem Bauchgefühl zu folgen, einfach tun worauf und wohin wir Lust haben. Langsam nordwärts in den Süden von Schweden.

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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