One Landrover-to-go and One Night in Heaven

Beim letzten Artikel waren es noch drei Monate. Jetzt ist nur noch einer übrig und der noch nicht mal ganz! Dazwischen haben wir mal eben neue, wunderbare Käufer für unser Haus gefunden, den Pool ein letztes Mal eröffnet, ein letztes Mal zugesehen wie der Frühling aus unserem Garten ein Naturspektakel macht, ein letztes Mal Solawi-Gemüse abgeholt, ein letztes Mal meinen Pilateskurs gegeben, ein letztes Mal Schulbus gefahren, ein letztes Mal in der Unterstufenbücherei ausgeholfen, ein letztes Mal Voltigieren, ein letztes Mal den Wecker gestellt, ein letztes Mal die Schule besucht, ein letztes Mal Dies gemacht ein letztes mal Das und dann aufgehört aufzuzählen, was wir alles ein letztes Mal machen, dafür das erste Mal auf der Veranda unterm Sternenhimmel übernachtet.

Seitdem sind wir Fünf nachts unzertrennlich und haben unser Matratzenlager in unserem Schlafzimmer ehemals Büro aufgeschlagen. Denn Matthias Arbeit ist ebenfalls zumindest für die nächsten paar Monate vorbei und ich habe meinen Wecker gelöscht. Herrlich! Einfach liegen bleiben und ab und zu nachrechnen welcher Tag denn heute nochmal ist. Liegen bleiben und nix tun! Wir schweben in einer neuen Dimension zwischen Ferien und Freiheit und genießen das Loslassen vom angespannten Achichmussdochnoch-Dasein. Wir feiern das Liegenbleiben! Zumindest tun wir das für genau einen Tag.

Uns juckt es nämlich in unseren itchy feet. Denn wir sind nicht nur erleichtert, dass jetzt der Kopf und die Zeit frei ist für die finalen Vorbereitungen unserer Auswanderung, sondern zwischenzeitlich tierisch nervös. Außerdem brennen ultrawichtige Fragen unter den Itchy-Feet Nägeln: Wie hoch ist das Gesamtgewicht unserer Möbel? Was wiegt eigentlich ein Schrank? Wie groß ist die Couch im Laster (ich wette größer als im Wohnzimmer)? Wie lange braucht es einen alten Landrover in Einzelteile zu zerlegen? Passen die in den Anhänger? Wie viel wiegt so ein „Einzelteil“? Heben wir die zu Zweit? Wie kommt der Landrover-Rahmen in den Laster? Wie viel steht wirklich noch im Schuppen? Reicht der zweite Anhänger dafür? Reicht der 7,5 Tonner? Reichen 48 Umzugskartons? Auto verkaufen oder behalten? Wann können wir wen noch sehen, drücken, verabschieden?

Oh diese Abschiede! Seitdem wir entschieden haben zu gehen, weiß ich, dass diese Abschiedszeit kommen wird. Seit Monaten schon weine ich. Nee, jetzt nicht durch, aber so urplötzlich. Dann sitzt auch noch ein kleines Teufelchen auf der Schulter und fragt mich, ob dat denn jetz wirklisch su sinn muss un wie mer uns dat denn fürstelle mit unsere nit vurhandene schwedische Süperplan?! Jaa, es ist neuerdings ein kölsches Düvelsche, dat is nit su ernst und isch hör schneller op zo kriesche un kann widder lache wie ne Sunnesching! Insbesondere wenn dann noch su ne beklopp dialekt-afiner Ehemann mit kölsch-russisch-sächselnden Trostworten daher kütt!

Ein paar Wasserfälle kamen dann noch bei so rührenden Momenten wie Orchester- und Zirkusaufführung von den Mädels. Ja und dann hat plötzlich jemand den Wasserhahn abgestellt. Pünktlich zu der letzten Arbeits- und Schulwoche, die schwer vor uns lag wie eine wunderschöne, blühende, aber unüberwindbare Mauer. Ich habe (fast) alle Abschiedstränen und Klöße im Hals vorab weggeweint, so dass ich nun tatsächlich eine berührende, menschlich nahe, intensive Woche innerlich gestärkt und voller Dankbarkeit erleben durfte. Aber nicht nur ich. Wir alle spüren bei diesen Abschieden wie wunderbare Menschen uns umgeben und es fällt uns echt nicht so leicht euch auf Wiedersehen zu sagen. Was Matthias und mir aber sehr aufgefallen ist, dass eure Begeisterung für unser Abenteuer uns immer wieder aufrichtet und stark macht, oft genau dann wenn wir gerade mal heimlich am zweifeln sind.

Manchmal denke ich, was ist, wenn wir es nicht schaffen? Dann fällt mir als erstes auf, dass ich gar nicht weiß was ES ist. Und zweitens, dass wir ES, was ES auch ist, schon geschafft haben, da wir die Richtung gewechselt haben, unserem Bauch gefolgt sind und eine Entscheidung getroffen haben. Einfach nur, damit sich unser Lebensweg wieder nach uns anfühlt. Damit die Seele freier, der Körper unbedingt wieder fitter und der Geist kreativer werden kann. Ja, es ist schwer Abschied zu nehmen. Aber es ist wichtig. Auch wenn ihr und wir so traurig seid und sind und es schmerzt und ihr nicht immer voller Begeisterung für unsere Entscheidung seid. Aber Schweden ist nicht so weit weg, liegt quasi neben Schleswig Holstein und Mac Pom. Ein Katzensprung übers Meer. Und wir wünschen uns sehr euch wiederzusehen, um Lebensgeschichten auszutauschen, sich gegenseitig zu inspirieren und miteinander kreieren, pilatieren, meditieren, agieren, spazieren, trainieren, phantasieren, voltigieren, telefonieren, patentieren, flambieren, sinnieren oder einfach nur faulenzieren.

Nach all der Gefühlsachterbahn oder besser Gefühlswasserrutsche ist bald ganz schön viel Platz für Neues und ich freue mich auf Hesses berühmten Zauber der jedem Neuen innewohnt. Weil wir so felsenfest an diesen Zauber glauben, und weil wir so ruhig und sicher in unserer Entscheidung sind, fällt es unseren zwei Mädels verhältnismäßig leicht sich mit uns weiterhin auf diesem Abenteuerweg zu bewegen, zwischendurch innezuhalten, zu weinen, auf uns wütend sein, kuscheln, verzweifeln, herumalbern und dann weitergehen. Voller Vertrauen. Henry erzählt neuerdings schon jedem mit ernster Miene, dass wir morgen nach Schweden fahren und schmuggelt heimlich immer seine Spielzeugsachen in meine Umzugskartons. Denn das muss ja alles mit und darf nicht hier bleiben. Nicht dass der Laster noch seine Autos, Traktoren und Bücher vergisst. So leeren sich langsam Räume und Schränke und die von jungen Künstlern reichhaltig beschrifteten und verschönerten Kartons verschwinden einer nach dem anderen in den Laderaum.

Mittlerweile ist auch der Landrover-to-go erfolgreich zerlegt, gehoben (siehe oben: „der Körper unbedingt wieder fitter“!!!) und verfrachtet. Matthias‘ Corona-Projekt „Kein Geld für nen Landrover – also einen aus gebrauchten Teilen zusammenbasteln“ geben wir nämlich nicht so schnell auf und haben extra dafür einen zweiten Anhänger gekauft. Sonst wär’s ja nur ne übliche Auswanderung geworden. Jetzt also … rechnrechne… Auswandern auf 24 Rädern. Puppenbuggys und Bobbycars noch nicht mit inbegriffen! Seit zwei Tagen spielen wir in sengender Hitze Landrover-Tetris während ein paar Wespen noch um IHR neues Projekt „Nestbau im Landroverdach“ kämpfen. Unglaublich wie diese gefühlten millionen Einzelteile teilweise gefühlte millionenschwer und groß in den Hänger reinpassen! Matthias wird auch nicht müde aus dem Schuppen weitere Teile „Ach das wäre schön, wenn das auch noch reinpasst“ herauszaubert. Nur noch ein einsamer rostiger Mega-Rahmen und eine sogenannte Feuerwand mit Lenkrad stehen jetzt noch zur abenteuerlichen Verladung in den Laster bereit.

Bisher verlaufen unsere Packtage also erstaunlich entspannt und ich freue mich auf die nächsten zwei, drei Wochen Packerei, Plackerei, Planerei, (k)ein bisschen Zankerei, Einerlei und hitzefrei.

Und noch ein paar Abschiedstränen weinen.

Und noch ein paar verzweifelte Düvel op minger Schulter beruhigen.

Und nochmal eine Sommernacht draußen unter Sternen schlafen.

Und ich weiß, ihr habt versucht 24 Räder auf unsere Fahrzeuge umzurechnen 🙂

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Unser Landcruiser

Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

Und das schreibt ihr!