21) Idioten, Zebras, Wasserfälle

Lauter Zebras um uns herum! Überall, sogar Schubkarre, Duschvorhang, Seifenspender und Klobrille sind ein Zebra. Wir residieren beim viel empfohlenen „Camping Zebra“ und man hat uns nicht zu viel versprochen. Der ganze Platz ist blumig, afrikanisch, freundlich, gemütlich oder zebramäßig eingerichtet. Eigentlich wollten wir nur eine Nacht bleiben und sofort einfach weiter, da wir kurz einen Moment hatten auf der Hinfahrt, wo wir einfach nur noch nach Hause, also nach Europa, zurück wollten.

Von Marrakesch aus brauchen wir zunächst fast eine Stunde um die N8 Richtung Beni Mellal zu finden. Dafür verfahren wir uns immerhin zum Königspalast, wo uns eine Polizeieskorte entgegen kommt. Vielleicht hätten wir mal winken sollen, aber wahrscheinlich war es nur die Hausmagd. Kaum auf der Straße drauf, hält uns unser Hunger schon wieder an, um eine Pause zu machen in dem unscheinbaren Tamelelt, wo es als Restaurants nur kleine Buden gibt, die sich jeweils mit einer Metzgerbude abwechseln. So nehmen wir die leckere Tajine zwischen hängenden Rinderkeulen und kiloweise frischen Fleisch ein. Die Fliegen scheinen sich hier auch sehr wohl zu fühlen. Hört sich alles für euch wahrscheinlich etwas unangenehm an, aber wir sind nun schon einiges gewöhnt, man spürt einfach, das ist normaler Alltag. Ich glaube, die Menschen leben hier einfach aus ihren Erfahrungswerten heraus, und grübeln nicht ständig über Dinge nach, die passieren könnten. Zum Einen ergibt sich daraus eine entspannte Haltung gegenüber dem Leben, Begegnungen und etwaige Gefahren, zum Anderen können wir manchmal nicht hinsehen, wenn wieder ein Vater seinen 2jährigen Sohn ohne Helm vorne auf dem, Mofa mitnimmt, wenn überhaupt, dann die Helme aus modischen Gründen ohne Zumachen aufgesetzt werden, Plastikmüll verbrannt wird, die Menschen hinten auf dem Laster Taxi fahren oder Tiere sehr schlecht behandelt werden (50 Hunde vergiftet, Esel geschlagen, Affen an der Kette, Schlangen wie ein Seil in den Händen tragen). Da ist ein Mittagessen zwischen Rinderhälften eher harmlos.

Danach gehts dann weiter, denn wir müssen noch über einen kleine Pass durch einen Teil des Hohen Atlas mit dem Dörfchen Ouzoud als Ziel in den Bergen. Schon nach den erstem paar Metern beschwert sich unsere Antriebswelle. Mit 15 km/h fahren wir herzklopfend Meter für Meter nach oben. Durch Serpentinen und wunderschöne Aussichten. Nach dem ersten Pass (da wussten wir nicht, dass es mehrere gibt) atmen wir auf und sind begeistert von dem weiten Tal das vor uns liegt. Wir fahren an einem berg entlang wieder nach unten in eine Klamm hinein. Dort trauen wir uns über die abenteuerliche Stahlbrücke über eine tolle Schlucht und ab dann wird’s spannend. Die Straße schlängelt sich an dem steilen Berg entlang nach oben, nach oben und weiter hoch. Sie ist egrade mal für ein Auto gedacht und die Kurven teilweise richtig eng. Trotz der schönen Aussicht, ist uns etwas komisch, die klappernde Antriebswelle tut ihren teil dazu. Von Marrakesch sind wir nun einige Straßenrowdies gewöhnt aber in den Bergen toppen die sich noch gegenseitig. Ich bin hinten bei den Kindern und kann nur noch wenig von der Landschaft sehen,d er Blick fällt also zwangsläufig immer nach vorne auf die Straße. Die Idioten (ich wähle mit Absicht ein solch harmloses Schimpfwort,( Matthias kennt da ganz andere), die uns entgegenrasen, springen uns immer genau in die Fahrbahn, als ob die ja so veil Platz hätten. Matthias hupt mittlerweile meilenweit vor jeder Kurve (da die gesamte Straße eine einzige Kurve ist also teilweise seeeehr lange), damit die Hirnis Angst kriegen (ab jetzt wollen wir auch ein Truck-Horn haben!), doch meistens preschen die dämlichen Möchtegern-Fahrer mit voller Fahrt uns entgegen. Auf einmal geht unser Motor aus. Ich hör nur noch „Jetzt ist er aus!“, was auch leicht mit „Jetzt ist es aus.“ zu verwechseln ist. Wir stehen knapp hinter ner blöden Kurve, links geht’s steil hoch und rechts steilgerade weit weit nach unten, so dass ich noch nicht mal aussteigen könnte. Bei mir geht das Kopfkino los, und ich beiß mir nervös die Unterlippe kaputt. Wenn etwas am Motor ist müssen wieder alle Sachen (in der Kurve, bei diesem Idiotenauflauf, am Berg!) raus, Kindersitze vor (und nicht in den Abgrund) und dann? Matthias werkelt kurz hinten an der kleinen Serviceklappe rum, gott sei dank kein Gegenverkehr und irgendwie kommt der Motor wieder ans laufen. Nach ein paar Metern geht er zwar wieder aus, aber auch wieder an. Ich, die solch eine Situation als Laie nie einschätzen kann, dreh hinten durch vor Sorge. Matthais murmelt was von „Hmm, vieleicht ein ganz normaler Wackelkontakt.“ Kurze Zeit später rast und wieder ein Arschloch (entschuldigt, jetzt muss ich dieses Wort wirklich benutzen) fast um, so dass Matthias urplötzlich recht ausweichen muss, wo der Abgrund wartet. Ich bin wild am fluchen hinten und als die Raser immer schlimmer werden und es immer ein Glücksspiel ist, wer wohin ausweicht, bin ich wirklich fertig. Ein paar Tränchen kommen hoch, ich weiß ja auch nicht was mit dem Bus sein wird, ich will nur noch weg. Matthias sieht meinen Gemütszustand im Rückspiegel und beruhigt mich, das wir das schon hinkriegen, ist bestimmt ein ganz normaler Wackelkontakt, ist schnell behoben. Maja neben mir macht sich Sorgen: „Die Mama hat Tränen in den Augen… soll die Maja mal in den Arm nehmen? Komm her!“ Na? Welches Auge bleibt da noch trocken? Meine nicht, aber diesmal aus Rührung, ich darf meine Kopf auf ihren Schoß legen und sie streichelt mir über die Haare: „So? Wieder gut?“ Oh Gott, ist das lieb! Na klar, jetzt kann kommen was will, alles ist gut! Wir schaffen es tatsächlich bis nach Ouzoud. Hab ich gesagt es kann kommen was will? Da kommt Afrika. Wir tauchen urplötzlich in das kleine Dorf ein. Rechts, links vor und plötzlich hinter uns fremde Menschen, vor uns parkt mitten auf der Straße mal wieder ein Maultier mit nem älteren, gemütlichen Herren, vertrauete und doch unerwartete Gerüche, kein Weiterkommen. Mann, geht mir das auf den Geist gerade! Mitten im Dorf hört der Asphalt auf und vorne sieht man einen Afrikaner die Straße mit Wasser bespritzen, so dass sie halb zur Staubwüste halb zum Schlammloch wird. Außerdem hört die Straße bei ihm komplett auf. Denkt man. Doch nachdem das Maultier sich zur Seite bequemt und wir ein paar Meter weiterfahren, biegt der Staub-Geröll-Trampelpfad scharf nach unten rechts ab udn genau an diesem Engpass kommt uns der nächste Blödian entgegengeprescht und wir müssen extra zurück Richtung Maultier und Menge setzen, damit er seinen Weg auf unserer Fahrbahn fortsetzen kann. Auch Matthias kann ganz schön fluchen. Überraschenderweise wird der Weg zur breiten, neuen Straße und schon landen wir beim Zebra. Eine kleine afrikanische Oase, liebevoll, blumig und naturnah gestaltet. Warme Duschen, sauber, und ein gigantisches Panorama. Wir parken so, dass wir zum Einen den großen Pavillon als Vorzelt nutzen können und bei geöffneter Heckklappe zum Einschlafen die wundervollle Aussicht über Berge, Tal, Kasbah und Sonnenuntergang haben. Da bleiben wir auch gerne zwei Nächte. Matthias richtet mit drei Handgriffen den Wackelkontakt und wir gehen am nächsten Nachmittag die Wasserfälle nach einem Panorama-Mittagsnickerchen ganz entspannt an.

Bei nur 30° Grad nehmen wir die zwei Mäuse mal wieder Huckepack und brauchen nicht lange gehen bis wir an den ersten Souvenirständen schnaufen. Wenn wir nach den Fotos unseres Reiseführeres gereist wären, hätten wir das Ereignis links liegen gelassen. Jetzt sehen wir die größten, höchsten Wasserfälle Nordafrikas mit eigenen Augen und sind völlig gebannt. Die kleinen Berberaffen mit ihren Babys werden schnell zur Nebensache, diese Wasserfälle, die in einem halben Kessel in mehreren kleinen Fällen terrassenartig sich 110 Meter in die Tiefe stürzen sind wunderschön. Wir scheinen auch Glück zu haben, denn von Reisebus-Touristen ist weit und breit keine Spur. Ja, es ist touristisch, aber auf arabisch-afrikanisch und das hat wiederum Stil. Auf dem steile Gelände zwischen Bäumen und Gebüschen turnen nicht nur die kleinen Äffchen, auch ein paar Campinzelte, viele kleine Souvenirläden und Café-Buden finden irgendwie Platz. Als wir direkt vor den Fällen stehen am höchsten Ausguck, wird uns fast schwindelig. Zwei Jungs springen über die moosigen, glitschigen Felsen und Wasserschluchten und machen sich einen lebensmüden Spaß sich im Stromfall zu duschen. Auch weiter unten klettern andere Jungs wie Geckos die steilen Felswände hoch und springen aus schwindelerregender Höhe neben die kleinen bunten Flöße, mit denen man sich ganz nah an die Fälle bringen lassen kann. In dem kleinen seenartigen Flüschen dort schwimmen und planschen Kinder und Männer und die Frauen in ihren knallbunten Tüchern bilden einen fröhlichen Kontrast zu dem bräunichen Wasser und den braun-roten Felsen. Uns gefällt’s, aber dennoch machen wir uns wieder auf den treppenartigen, schweißtreibenden Aufstieg, ergattern noch das ein oder andere Schätzchen bei einem alten Mann, der in einem unscheinbaren Nebenraum lauter alte, verstaubte Erinnerungsstücke aus der Sahara hat und wir nun endlich ein altes Touareg-Schloß für die Hohenzollernbrücke haben. Wie üblich versucht er uns noch den ein oder anderen Schatz anzudrehen: „Mister! Look here, tausend offf yearrrs old. Look! How much wouldt you givve forr ssiss? Do you like sse other lock too. I show you again. Madame, look herre orriginal from se Saharra, whatt wouldt you pay forr both? No! Please, come back, original silverr, evvryssing handmade. Madame tell me, now, what is yourr last prrice, no, really your last prrice!“ Zurück machen wir uns mit frischgepressten Orangensaft auf den Zebra-Sofas und Maja auf edem Schaukelzebra gemütlich und verfolgen das WM-Spiel der Deutschen per Live-Ticker. 4:0 gegen Portugal, was für ein Auftakt! Ich hätt’s ja schon gern gesehen, aber obwohl die Marokkaner alle völlig Fußball-verrückt sind kommt bei Matthias und mir kein richtiges WM-Fieber hoch. Irgendwie nicht schlimm, gibt zurzeit Wichtigeres im Leben. Unser kurzfristiger intoleranter Ich-will-nach-Hause-Moment ist wie weggeblasen. Uns geht’s so gut, dass wir uns doch mal mit dem älteren Berliner Pärchen im knallgelben T5 unterhalten, das immer wieder mal unseren Weg kreuzt und sonst mal wieder niemand da ist zum Quatschen. Es gibt schon komische Kauze auf dieser Welt… Während er sich über den erhöhten Taxi-Preis von 1 Euro aufregt (aber nen nigelnagelneuen VW-Bus fahren), nehmen wir das Leben mal wieder wie es kommt, denn weil derjenige zum Bezahlen nicht da ist, machen wir es uns bei den Zebras und ein paar Pommes nochmal gemütlich (Maja: „ Neeein, ich will keine Pommes! Ich will Soooße! Und Fleisch. Ja, Mama? Machst du Fleisch mit Soße? Bitte?“) und fahren halt ein Stündchen später los. Wie sich herausstellt ein Stündchen, dass wir am Abend in Casablanca gut gebraucht hätten.

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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