28.10.-2.11- Pucón Wer von euch hat schonmal von El Niño gehoert? Kennt ihr den Outdoor Film mit den verueckten Surfern auf der alles ueberflutenden “Todeswelle” im Amazonas? Genau, ausgeloest von El Niño. Das Phänomen waermt naemlich alle 4 bis 7 Jahre ein Teil des Pazifiks auf und verursacht ein Wetterchaos auf drei Erdteilen, in Chiles Sueden zum Beispiel Ueberschwemmungen wegen viel zu viel Wasser von oben nach unten udn uebrigens in der Schweiz sorgt er fuer schneereiche Winter. Ratet in welchem Jahr wir uns auf El Niño freuen koennen! Richtiiiig, hier und heute, vielen Dank nach oben. Schon auf der Busfahrt hierher nach Pucón war einfach alles nass, gruen, wolkig, vernebelt, gruen, beurwaldet, gruen und nochmal gruen. Die Wolken hingen wie Schleier um Berge und Vulkane (zumindeste vermutete ich diese dort) und obwohl ich weiterhin sonnenhungrig war, grinste ich durch die Gegend und konnte mich gar nicht sattsehen an dieser mystisch, verworrenen Landschaft von wilden Waeldern, Moosen, See, Wolken und unsichtbaren Bergen. Ich stieg aus dem Bus und konnte tief durchatmen, wobei mich der schoenste Geruch auf der Welt begruesste: Kaminfeuer. So stelle ich mir Canada vor! Seit 4 Tagen rieche ich nichts anderes mehr. Hier ist es einfach noch so kalt, und der Fruehling steht gerade erst in den Startloechern, dass hier jedes Haus, Restaurant und Bar weltmeisterlich seine Kamine und Oefen anfeuert. Natuerlich, mein Hostel ebenso, und mit mein Hostel meine ich eigentlich meine Blockhuette. Sowie in der Wueste jedes Haus aus Lehm gebaut wird, bestehen hier die Gebaeude aus dunklem Holz und mein Domizil bewohne ich so gut wie alleine. Doch vorerst freute ich mich Kathleen wiederzusehen und Schlag auf Schlag verbrachten wir einen spannenden Tag. Noch ohne die leiseste Ahnung wieviel Wasser es im Himmel gibt. Nach einem staerkenden Fruehstueck in meinem mittlerweile Stamm-Bistro ging es weit hinauf. Nein, noch nicht auf den Vulkan sondern Canopy war angesagt. Man seilt sich an Stahlseilen von Baum zu Baum und des Oefteren geht es dabei ueber reissende Fluesse und in Baumwipfel von bis zu 30m, wo das Moos lianenhaft von den Aesten baumelt. Kathleen und ich waren suechtig nach Hoehe und Natur und es war wirklich ein grosser, atemberaubender Spass, so dass wir uns sofort fuer den naechsten Tag in die Profi-Tour einschrieben liessen. Wir erkundeten noch unsere neue Heimat und waren einfach total begeistert. Hier gibt es eine Auflage fuer Haeuser, Strassenschilder und Geschaefte, dass alles aus Holz sein muss, und wie gesagt, die ganze Zeit riecht es wunderbar nach gemuetlichen Kaminfeuer. Wir erfanden noch schnell die beruehmte Pasta Pucón und wurden abends abgeholt um nach 45 Minuten Taxifahrt durch tiefe, dunkle, mittlerweile verregnete Waelder irgendwo im tiefen, dunklen verregneten Wald auszusteigen und zu einem dunklen Holzhaeusschen gefuehrt zu werden, wo wir uns bis auf den Bikini auszogen (brrrr) um nach draussen in eines der heissen Naturthermen zu springen. Die Becken sind alle aus natuerlichen Steinen und Felsen und werden vom Vulkangestein aufgeheizt. Im Wasser war der Koerper selber schwer wie ein Stein und es blieb uns nichts anderes uebrig als einfach die Ohren unter Wasser zu stecken, das Gesicht in den Regen, mit Mund oder Haenden die Tropfen aufzufangen, dem wilden benachbarten Fluss zu lauschen, und uns langsam wie ein Walross von Felsen zu Felsen zu bewegen. Nachdem wir in der Dunkelheit fast schon ins Schwitzen kamen und uns durch die 5 Becken gerobbt hatten, die uebrigens zum Teil 3 Minuten finsteren Fussmarsch auseinanderlagen, wurden wir mutiger und stiegen auf Wechseldusche um. Im stockdunklen Regen ueber Steg und Stein zum grossen Fluss (zumindest hoerte er sich ziemlich danach an), dort quikend und kreischend kurz ins Eiswasser getaucht, lachend und unerschrocken dann wieder ins heisseste Becken bis uns die Fuesse brannten. Was glaubt ihr, wie wir schlafen konnten in der Nacht, zumal unsere Hosteleltern immer wieder fuer genuegend Feuer sorgen und wir in knarrenden Betten, unter schweren Decken auf orthopaedischen Matrazen in seelige Traeume geschickt werden. Am naechsten Tag war also wieder grosses Fruehstuck angesagt und dann ab ins naechste Canopy-Abenteuer. Leider regnete es Bindfaeden und die Tour war viel zu schnell vorbei. Kein Wunder wenn man mit 50km/h ueber Landschaften in Hoehen von 120m hinwegsegelt. Bei guter Sicht haetten wir sogar mehrere Vulkane und Lagunen sehen koennen, aber wir wussten ja immer noch nicht mal in welcher Richtung ueberhaupt der einzig wahre, rauchende Villarica lag. So rasten wir patschnass ueber ueberschwemmte Wiesen und eigenartige Voegel hinweg. Als wir in Pucón ankamen konnte man kaum noch die Strassen ueberqueren, weil einfach alles ueberschwemmt war. Deswegen blieb uns nichts anderes uebrig als auf Shopping-Tour zu gehen und uns bei heisser Schoki mit extra viel Sahne auf zuwaermen. Leider musste Kathleen schon am Abend abreisen und ich dachte schon ich muesste nun alleine weiter. Kaum gedacht, da stapft in tiefer Regenmontur eine Gestalt an mir vorbei und ruft auf einmal: Mirrriam?? Barbara, die ich kurz in San Pedro de Atacama kennengelernt hatte! So durfte sich mein Sprachzentrum also wieder einer neuen Herausforderung stellen und ich verbrachte den 3. Tag mit 2 Scheizerinnen Barbara und Monica und einem bockigen Mountain Bike. Wir nutzten den trockenen Tag aus und wollten eine kleine Tour machen, doch die einzigen Moeglichkeit, die noch nicht ueberschwemmt war, erstreckte sich ueber 40km. Es war toll! Es blieb die 40km ueber trocken (aber auch keinen Kilometer mehr) und auf einmal erhoben sich die Wolken und gaben endlich den Blick auf den wirklich greifbaren Vulkan Villarica frei, ein schneeweisser, vollkommener Kegel aus dem es ordentlich dampft. Wir mussten alle paar Meter halten, weil sich die Sicht auf den Vulkan immer wieder aenderte und Barbara und ich natuerlich erstmal 10 neue Fotos machen mussten. Wer ist uebrigens schonmal per Bike mit 2 Schweizern bergauf und bergab gefahren? Bin ich froh, dass es heute wieder aus Eimern giesst und eine Vulkanbesteigung nicht moeglich ist. Muskelkater! Denn natuerlich wird in der Schweiz selbst bei 60 Grad Steigung nicht das Fahrrad verlassen sondern bis zum bitteren Ende gekaempft, egal ob die Raeder schon laengst durchdrehn und wir eigentlich eher standen als fuhren. Zum Schluss habe ich mich auf meine koelschen Flachlandwurzeln berufen und bin selbstbewusst, das Fahrrad schiebend den bergrauf, nicht erwaehnend, dass meine Heimat das Bergische Land ist. Downhill war dafuer ein Genuss und auch die Landschaft war einfach schoen. Ueberall Apfelbaeume in voller Bluete, Waelder, Wiesen mit Schafen und Kuehen, ein wilder Fluss in der Naehe und Rast bei einem tosenden Wasserfall. Kaum dass wir uns in Pucón in die Sessel eines gemuetlichen Restaurants niederliessen, oeffnete der Himmel seine Tore und Petrus liess gewaltige Wassermassen zu uns runter, die bis jetzt anhalten und alle Vulkankletter-Plaene zunichte machen. Mein Vulcano-Guide erklaerte mir dann gestern, dass El Niño Schuld ist und beleidigt werde ich somit vorraussichtlich am Montag dem suedlichen Chile einfach die kalte Schulter zeigen und mich auf den Weg ins hoffentlich weniger gebeutelte Argentinien machen. Morgen gibt es noch eine letzte Chance fuer Villarica, wenn nicht dann suche ich mir noch die verzaubernden Thermas Geometricas, kuschel vorm Kamin noch ein bisschen mit Cortito, dem jungen Husky vom Hostel und warte eigentlich nur noch, dass am Sonntag abend mir meine Mapuche-Indianerin einen Wollmantel fertig gestrickt hat.
19) Pucón oder Kanada
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.