28.10.-2.11. Pucón So! Heute ist Sonntag, der 1.11. und gestern abend hab ich waehrend ich so gemuetlich vorm Kaminfeuer sass und las, ploetzlich die Eingebung gehabt, dass ich schon am naechsten Tag nach Argentinien fahre statt Montag. Ich hatte den Regen so satt und konnte nicht mehr den prasselnden, doofen Tropfen zuhoeren. Es reichte! Mitten im spannenden Kaept’n Blaubaer Seemannsgarn stuermte ich intuitiv zur Hostelmutter und teilte ihr mit, dass ich morgen fahre, nachdem ich ihr kurz zuvor gesagt hatte ich moechte zu den Thermen. Alles klar, hochzufrieden schlummerte ich, die Sachen schon gepackt, ein. Der naechste Morgen weckte mich natuerlich prompt mit Sonnenschein, doch meiner Sache sicher, checkte ich aus, freuhstueckte noch mit Jean-Michèl, einem ruestigen, sympatischen, urtypischen Franzosen aus Bordeuax, stapfte gen Internetcafe untersuchte die Wettervorhersagen. Ich wollte dahin, wo das Wetter besser ist als hier, fand raus: nirgendwo, und ausserdem faehrt nur morgens ein Bus nach Argentinien. Den hatte ich jetzt verpasst. Na gut, die Insel Chiloe schien auch besseres Wetter zu haben (je nach Internetseite), also auf nach Puerto Montt! Doch auch diesen Bus hatte ich verpasst. Hmmm, dann erstmal raus, denn unglaublicherweise zeigt sich ab und zu dat Soensche und rauf auf einen Friedhof, welcher zu Allerheiligen erfreulicherweise eher einem Jahrmarkt glich, weiter hin(sch)nauf auf den Aussichtshuegel mal auf ne Bank gesetzt und auf die Plaetze fertig los! Fruehling geniessen! ‘N bisschen Kaept’n Blaubaer gelesen, millionen mal die Aussicht geknipst, durchgeatmet, umhergegrübelt und entschieden: dann eben morgen frueh um 6h15 nach Puerto Montt, und nicht nach Argentinien sondern ins gruene Chiloé. Gesagt, getan und Ticket gebucht. Jetzt noch mein Bett im Hostel wieder sichern. Alles klar, ist noch frei… was? Wie? Morgen gutes Wetter? Morgen kann ich doch den Vulkan besteigen? Na, denn ma los! Also: warten bis 19h, dann entscheidet die Agentur, ob sie es morgen wagen werden, und ich wieviel Naechte ich nun hier bleibe, jetzt aber erstmal: essen!!! Puh und gottseidank, ich hatte die Bude fuer mich, kein Franzose, Englaender oder Chilene. Nur ich und meine letzten Entscheidungen. Ach und was seh ich?! Auch mein Zimmer ist wieder frei von jeglichen schnarchenden Party-Chilenen der letzten 2 Naechte, so laesst es sich leben, huepf, tanz… Hoppla, wer stuerzt denn da in die Kueche? Verfroren und hungrig lerne ich den bayrischen Matthias aus Canada kennen. Wir verstehen uns auf Anhieb und haben beide die Vulkanbesteigung beim selben Anbieter vor uns. Somit ziehen wir um 19h zur Agentur und man teilt mir mit, die Liste sei voll und ich staende nicht drauf… … uff …Nach einigem hin und her, darf ich irgendwie doch mit und wir werden mit einer Ausruestung wie auf Antarktis-Expedition ausgestattet. Jetzt noch mein Bus-Ticket umbuchen und meinen Hostels in Argentinien und Chiloe mal bescheid geben, wat hier eigentlich Sache ist. Gebongt, der naechste Tag kann kommen, selbst wenn ich tief betruebt ins Bett finde, weil ich meinen mich steandigbegleitenden, nach Kaminfeuer riechenden Schal verloren hab. Also ohne Mapuche-Schal auf den Villarica!
4h45! Mein Handy scheint sich an die Zeiten zu gewoehnen und ich schluepfe voller Vorfreude in die Klamotten, Matthias und ich freuhstuecken mit halbgeoeffneten Augen und wir ziehen zur Agentur. Natuerlich, wir haben es uns schon gedacht, denn weit und breit war kein Vulkan zu sehen. Wetter ist doch zu schlecht. Also Geld zurueck und wieder ins Hostel um dort auf Jean-Michèl zu treffen und zu dritt machen wir uns eine Stunde spaeter auf in den National Park Huelquehue (oder so aehnlich).
Diese Wanderung, die nun folgte, war mit Abstand eine der schoensten Erlebnisse und Wanderungen ueberhaupt! Vergessen sind rauchende Berge mit Schnee bis auf Kinnhoehe, Regen ist Schnne von gestern, diese Landschaft war einfach ein Traum und das koelsch-bayrisch-franzoesische Team verstand und verstaendigte sich einwandfrei. Da Michèl sich noch immer zutiefst beleidigt vom Dauerregen weigerte englisch zu sprechen und ich ihm schon beim Fruehstuck verboten hatte irgendwas anderes als Franzoesisch mit mir zu sprechen, Matthias bayrisch und englisch fliessend sprach gemixt mit einem hervorragend improvisierten Mix aus franzoesisch-español, entstand eine neue Sprache und ein ewiges Hin und Her an Kauderwelsch. Wie schoen, wenn sich herausstellt, dass ich nicht die einzige Fotoverrueckte auf Erden bin und so wanderten wir 8 Stunden steil die Berge auf und ab, durch tiefen Regenwald mit allen Wettern gewaschen. Je hoeher wir kamen, desto dichter wurde -nein nicht der Regen- der Schnee. In vollkommenen Schneeflocken rieselte es durch wilden Regenwald, was eine unvergessliche Stimmung zauberte. Innerlich huepfte und sprang ich vor Glueck je mehr Schnee durch die Baeume durchkam. Aeusserlich konnte ich schon deswegen nicht springen, weil es ueber schlammig, erdigen Boden weiter steil bergauf ging. 2 Mal kamen wir direkt an dem wild, tosenden Wasserfall vorbei, der uns nochmehr aufweichte und auf etwa 1400m marschierten wir dann an eisig klare Seen, umringt von verschneiten Regenwald. Es war wirklich schoen. Und kalt. Und nass. Und schlammig. Man hatte uns verboten den gesamten Loop zu erwandern, weil – aber, das hatten wir dann auch schon nicht mehr verstanden. Also warum nicht versuchen? Was soll schon sein? Schnee? Na und? Michèl argwöhnte zwar ein wenig mit unserem Vorahebn, war aber doch zu neugierig. Nachdem wir sowiso die Karte nicht verstanden und die Wege keine Markierungen hatten, schaetzten wir einfach welchen der verwilderten Wege wir nehmen sollten. Es ging an weiteren Lagunen vorbei, es schneite immer mehr, mittlerweile mussten wir durch Schneefelder stapfen und dann war der Weg eigentlich nur noch ein froehlich fliessender, schlammiger Bach, der sich in die Tiefe stuerzte. Aber: aufgeben gilt nicht! Es war eh schon alles dreckig und solange die Schuhe dicht halten… naja und solange nicht ploetzlich hundert Baeume quer liegen… und solange es noch einen Weg gibt … und solange der Weg nicht ploetzlich einfach am See endet und irgendwo ganz woanders eine Bruecke aus dem Niemandsregenwald auftaucht … solange wir nicht durch dorniges Gestruepp ohne Machete uns durchkaempfen muessen … solange Michèl nicht in den See stapft… Naja und selbst wen! Nichts konnte uns aufhalten! Auch kein französiches Gefluche. Und so schafften wir auch all diese Herausforderungen und schlugen uns mit Kompass und viel Spass durch den Urwald. Stolz wie Oskar auf unsere verbotene Tour mussten wir danach nur noch 2 Stunden wieder bergab. Der Schnee wechselte wieder in Regen und verschlammte die “Wege” noch mehr. Doch als dreckige Helden kamen wir irgendwann unten an und begossen das natuerlich mit heisser Schoki, Tee und lecker Desserts und anschliessend noch mit einem gemeinsamen Abendessen (ja, die Reihenfolge ist schon richtig). Vulkane koennen uns gestohlen bleiben! Wer will schon da rauf, wenn er so was bekommt.
Da Matthias auch nach Chiloé wollte, buchte er sich ein Ticket zu meinem Bus und wir durften beide am naechsten Morgen wieder in aller Herrgottsfruehe und tiefen Regen in den Bus nach Perto Montt und von dort aus mit Bus und Faehre nach Ancud auf Chiloé. Aber wen stoert schon ein bisschen Wasser vom Himmel?