17) Timbouctou 52 jours

So! Jetzt sind’s nur noch 52 Tage bis nach Timbouctou! Auf’s Kamel drauf gesetzt, da drüben nur nochmal kurz links, einmal quer durch die Sahara und schon sind wir in Schwarzafrika (darf man das überhaupt noch so sagen?). Die Zeit würd ja noch reichen, hmmm… klingt nach Abenteuer, aber ich glaube, da hört dann doch unser Abenteurerherz zu schlagen auf. Wir sind an dem Punkt angekommen, den wir uns einst mal als großes Ziel gesetzt hatten. So weit rein wollten wir nach Afrika, bis nach Zagora, die Wüstenoase, von wo aus damals die Karavanen loszogen durch die Sahara bis nach Timbouctou. Das berühmte, aufgearbeitete Schild „Tombouctou 52 jours“ steht zwar mittlerweile ziemlich unspektakulär neben einer Gendarmerie, riecht aber trotzdem nach Abenteuer und wundersamen alten Geschichten.

Bevor wir nach Zagora kamen, sind wir jedoch erst nach Ouarzazatte und Ait Ben Haddou gefahren. Zunächst muss ich doch noch von der wundersamen Einladung erzählen, die wir kaum fünf Meter von unserer Kasbah „123soleil“ in Skoura, bekamen:

Es ist Mittag als wir in dem kleinen Paradies in Skoura losfahren, das alte eiserne Tor fällt hinter uns zu, da winkt uns eine der Angestellten in ihren kleinen Laden. Sie hatte mich schon am Tag zuvor zu sich auf einen Tee eingeladen, doch vor lauter Kinder hüten und Schatten suchen, hatte ich es ganz vergessen. Wir folgen ihr durch das kleine Teppichlädchen und sie zeigt uns ihren Webstuhl sowie ihre kleine Hühnerfarm. Der Tee ist so köstlich, ich kann gar nicht genug kriegen von dieser marokkanischen Tee-Tradition. Was sind wir doch für faule, nichtwissende Banausen mit unseren Tee-Beuteln. Und die Frau kann gar nicht genug von Susanna kriegen. Durch ein Buch auf dem Tisch kommen wir mit ihrem Mann in ein tolles Gespräch. Es handelt nämlich von Homöopathie für Pflanzen und er erzählt, dass sie hier in der Gegend die Homöopathie in der Landwirtschaft benutzen statt Chemie und sehr großen Erfolg in der Bekämpfung von Krankheiten und Insektenbefall haben. Welch ein fortschrittliches Denken! Ich bin hin und weg, da ich ja gerade selber bei all unseren kleineren und größeren Malädchen die Globulis einzusetzen versuche. Dieser Mann da in dem kleinen Lädchen bei Webstuhl und Hühnern wohnend, kennt sich nicht nur damit aus, nein, er ist einer der Organisatoren des weltweiten Congresses für Homöopathen, der nächstes Jahr hier in Skoura stattfinden wird. Nebenbei müssen wir dann auch feststellen, dass die Frau keineswegs eine Angestellte ist, sondern die Zwei sind die Eigentümer des riesigen Grundstückes und der Kasbah. Der bescheidenenTeil in dem das sympatische Ehepaar wohnt, geht in die Kasbah über, die Franzosen sind lediglich die Mieter und bis heute gibt es mir zu bedenken, dass ich von Vorherein eine andere Hierarchie angenommen habe- Ich nehme mir fest vor, besser hinzusehen und weniger voreingenommen zu sein. Weiter erfahren wir auch, dasss der Mann die Kolbach höchst persönlich kennt, da er es ist, der mit ihr anfangs durch Marokko gereist ist und sie beim Zusammensetzen ihres berühmten Reiseführers (den wir ja doch nicht besitzen, den sonst jeder hat und wir dennoch an die gleichen tollen Plätze kommen) begleitet hat. Wir haben den von Erika Därr. Ach ja! Die kennt er natürlich auch! Noch lange ist unser Besuch nicht zu Ende, denn wir schauen uns die Teppiche von ihr an. Hmm ja ganz schön, sagt Matthias, der ein unumstrittener Teppich-Fan ist, und wir nun bald unser zukünftiges Schwedenhäuschen im Orient-Stil eigerichtet haben. Er hätte da letztens Einen gesehen in der Kasbah da drüben und er möchte so einen wie den haben. Ich erninnere mich, er hat tagelang davon erzählt. Na denn, dann gehen wir halt rüber und tauschen die Teppiche aus, wir können jeden Teppich der Kasbah haben, gehört ja schließlich ihnen. Durch einen geheimen Irrgarten der Lehmwohnungen gehen wir also wieder zurück zu „123soleil“ finden den gerade gewaschenen Teppich in der Sonne liegend, ja genau der soll’s sein. Gut, wieder zurück, die Spiele sind eröffnet. „Die Spiele“ sind die Kaufverhandlungen, die man hier in Marokko führt, und die machen dem Matthias richtig Spaß, denn mit Charme, Humor, Schlagfertigkeit und Sympathie kann er stundenlang verhandeln, so dass es jedem Marokkaner zum Einen eine Freude, zum Anderen eine Offenbarung ist, denn nur wenig Ausländer schaffen es die Verkäufer bis auf einen Preis unterhalb der Hälfte des zuerst genannten Preises zu drücken. Nach langen Verhandlungen und Überlegungen werden wir uns einig und schnell wird klar, eigentlich haben wir Frauen gehandelt, wie der Marokkaner schon sagte, er sei nur für das Bla-bla da. Teppich Nummer Drei wird gut verpackt, er ist der Teuerste, doch er wird uns jedes Mal ein warmes Lächeln auf’s Gesicht zaubern. Wir bekommen noch Proviant aus dem eigenen homöopatischen Gemüsegarten mit sowie ein paar Eier von weniger homöopatisch aussehenden Hühnern. Reich mit Eindrücken und Gesprächen beschenkt verabschieden wir uns von dieser sympatischen Familie.

Es geht nur noch ein paar Kilometer weiter bis Ouarzazatte, wo wir uns dem bescheidenen Campinplatz hingeben und nur ein paar Meter von den Fenstern des Party-Restaurants unser Lager aufschlagen, wo wir bis Punkt 22 Uhr mit einem gräuslichen und interssanten, vor allem aber lauten Repertoire an arabischer Pop-Musik beschallt werden. Bei brüllender Unterhaltung verbringen wir den Abend mit den zwei netten Bayern in Ihrem Bimobil und müssen feststellen, dass der einzige Spielplatz in Marokko uns verschlossen bleibt. Manchmal sehnen wir uns ja doch wieder nach Europa: nach Schinken und Spielplätzen. Am nächsten Vormittag besuchen wir mal endlich eine der Kasbahs von innen. Die Kasbah Taourit war einst Sitz eines berühmten Paschahs. Wir versuchen um einen Guide herumzukommen, doch schließlich werden wir mal wieder weich gequatscht. Interessant war’s ja schon das Ein oder Andere an Geschichte zu hören, und ein wenig in den damaligen Orient einzutauchen, aber für mich sehen alle Zimmer irgendwie gleich aus. Doch die Verzierungen und Ornamente sind wirklich schön und Maja hat Spaß den Mini-Baby-Mizis, bestehend aus Ohren, Augen und Pfoten hinterherzuschauen und von allen Vorsprüngen runterzuhüpfen. Was ich wirklich spannend finde, ist der alte Markt dort unten, der als Filmkulisse für den englischen Film „The Red Tent“ aufgebaut wird. Ouarzazatte und Umgebung sind berühmt für ihre Atlas-Studios. In der ganzen Wüstenumgebung hier wurden Filme wie „The Lawrence from Arabia“ „Asterix und Kleopatra“, „Alexander“, „Der Gladiator“ oder ganz neu „The Queen of Desert“ mit Nicole Kidman gedreht. Insebondere Ait Ben Haddou dient als berühmte Kulisse, wie viele Fotos dort bezeugen.

Auf der Fahrt dorthin stürmt wieder ordentlich Sand und die Sonne brennt weiterhin bei konstanten 35° Grad auf uns herab. Eigentlich an sich ja eine schöne Sommertemperatur, aber für uns nun schon seit zwei oder drei Wochen so, und da sehnt es uns nach einem Zimmer mit Klimaanlage. Die Sonne, die Hitze und der Staub machen Matthias und mich immer mehr zu schaffen und wir sind ein wenig müde von den vielen Eindrücken der letzten paar Wochen. Maja und Susanna sind glücklich mal wiederein großes Matratzen-Hüpf-Areal zu haben und ihre Spielsachen im ganzen Zimmer verteilen zu können. Vorm Abendessen folgen wir nochmal einer netten Tee-Einladung und warnen den jungen Mann aber schon vor, dass er bei uns keinen Teppich loswerden wird. Von dem jungen Touareg lasse ich mir das Tee-Kochen genau erklären, aber so ganz komme ich nicht mehr mit zwischen noch ein Glas Wasser raus, aufkochen, Glas wieder rein usw. Aber er macht den bisher allerbesten Tee, sein Geheimnis: Absinth. Als Tee-Gewürz. Wie üblich erfahren wir eine interessante Lebensgeschichte des jungen Nomaden aus der Sahara und werden zum ersten Mal Zeuge der berühmten Schatzkiste. Wie wir mittlerweile wissen haben viele Händler eine solche uralte, abenteureliche, afrikanische Kamel-Schatzkiste. Wen man sdie Büchse der Pandorra öffnet in Gegenwart weiblicher Gäste geht ein Zauber auf die (uns) junge Damen über, dem man zumindest beim ersten Mal kaum wiederstehen kann. Maja bekommt von ihm eine Berber-Kreuz-Kette geschenkt. Doch vielmehr begeistert sie sich für die schönen Armreifen, die sie auch alle anziehen darf. Um es kurz zu machen: er konnte keine Teppiche an uns verkaufen! Seine Schatzkiste ist etwas leichter geworden.

Ait ben Haddou ist nicht nur bekannt als Filmkulisse, das alte Lehmdorf auf einem Felsen ist UNESCO Weltkulturerbe und das schauen wir uns zusammen mit einem (gewollten) Führer an, der seinen Verdienst unter anderem in die Restaurierung seines unbewohnten Hauses in diesem alten Dorf steckt. Wieder quälen wir uns vormittags mit den Kindern auf dem Rücken durch die Hitze und ich merke, wie ich unserem Vordermann kaum folgen kann, weil’s mir einfach zu anstrengend wird. Maja will auch noch Händchen halten… puuh, gottseidank, ein paar Steine tun’s auch. Es ist wirklich ein schönes , guterhaltenes Dorf mitten in der Bergwüste. Tolle Farben, trockene Kehle und schon so viele Lehmbauten gesehen! Matthias macht viele schöne Fotos wie ich später sehe, doch irgendwie bin ich nur damit beschäftigt jeden Zentimeter an Schatten zu erklimmen, und wenn’s nur für den großen Zeh reicht. Einmal hoch bis zur Bergspitze geklettert und runter gehts durch engere, kühlere Gänge, unter Häuser drunter durch kleine Lädchen, in denen mit Safran und Tee Bilder gebrannt werden und dann endlich einfach zurück. Maja darf noch ihre Steine in den Kanal werfen, wir genießen noch kurz die 24° Grad im Zimmer, besuchen nochmal die wunderschöne Herberge von euch „Schlettis“ (leider keiner da, aber wow!) und flüchten vor der Hitze in den Bus, wo uns der Fahrtwind um die Ohren weht und wir über einen steilen Pass uns aufmachen, weiter nach Afrika rein.

Hinter dem Pass verbringen wir die Nacht in Agdez. Hier tauchen wir noch tiefer ein in eine andere Kultur, die Menschen sehen afrikanischer aus, das Leben auf den Straßen wird chaotischer und die kleinen Einkaufserlebnisse von Matthias (ich bleibe meist bei den Zweien im Bus) immer interessanter. Wir verbringen mal wieder eine Nacht auf einen verlassenen Campinplatz und alle Vier genießen die süßeste, saftigste Honigmelone der Welt. Ich glaube die Hauptsaison ist vorbei, wir treffen kaum noch auf ein paar Camper oder Abenteurer, was ein wenig schade ist. Nur unser bayerisches Pärchen aus Ourzazatte gabeln wir kurz auf einem verstaubten Platz neben Straße und Steinwüste auf. Sie seien wieder aus Zagora raus, weil’s da halt gar nichts gibt und sie wollen jetzt ans Meer. Der Campingplatz in Agdez ist schön unter Dattelplamen gelegen, doch irgendwie kommt bei uns kein verträumtes Gefühl auf, nur dass es uns genauso geht wie den Bayern. Wir wollen ans Meer. Zagora lassen wir dennoch nicht aus. Wir fahren am nächsten Tag durch kleine afrikanische chaotische Dörfer mit Markttag (und wir mittendurch!) an Palmenoasen lang durch ruhige schöne Berglandschaft bis hinein in die große Wüstenoase Zagora! Der uns empfohlene Campinplatz liegt romantisch unter Palmen und Blumensträuchern, es weht ein leichter Wind und als wir ankommen wird uns sofort ein Teppich, ein Tisch und zwei Hocker aufgestellt. Von Anfang an finden wir hier Ruhe, Entspannung, wenigstens ein uninteressantes Landrover-Paar aus Dortmund, dafür einen älteren reiseverrückten Franzosen und wieder mehr Reisebegeisterung und so bleiben wir zwei Nächte hier. Am ersten Abend suchen wir sofort das Timbouctou-Schild auf. Ein schönes Wohlgefühl macht sich breit irgendwas geschafft zu haben, ein unsichtbares Ziel erreicht zu haben. Kaum parken wir vor dem Schild, ist es Matthias, der sich frech den um uns kurvenden Mopedfahrer in Werkstattmontur in den Weg schmeißt und direkt sagt: „You want to repair my car, do you!?“ Na klar ist er auf Toristenfang! Vorher muss er noch als Fotograf arbeiten und zum Dank schauen wir uns seine Garage an. Matthias steigt aus, palavert noch ein bisschen rum und plötzlich ist ein kurzer Tumult hinterm Bus, ein Lachen , Matthias steigt ein und sagt grinsend: „Noch nie war ein Aufkleber so schnell an einem Ort, wo man ihn gar nicht haben möchte.“ Wir sind uns noch nicht ganz einig, ob und wie lange der Aufkleber bleiben darf. Der Garagen-Mopedguide führt uns noch zu dem der uns ein Relais verkauft und Matthias muss am Campingplatz feststellen, dass das nicht unser Problem des Anlassen ist. Also wird weiterhin mit größter Vorsicht mit einem Draht vorgeglüht.

Heute haben wir dann einfach mal einen Tag nichts und alles gemacht. Wir rätseln noch ob wir nun Flohbefall oder Mückenalarm haben, und entscheiden uns für letzteres. Seit über einer Woche sind wir total zerstochen, so dass ich schon mit Kühl-Packs auf den Füßen schlafe. Matthias muss sich nochmal von einem Magen-Problem erholen und wir versuchen vergeblich die zwei Mädels sauber zu kriegen. Baden hilft für etwa eine Stunde, danach ist alles wieder voller Erde, Sand und Staub. Wahlweise auch Marmelade, Kekskrümel oder Saft. Und beide bekommen zur Ehre des Teilziels einen neuen Haarschnitt. Majas verfilzten Haarspitzen sind ab, unter dem Strubbelkopf findet man nun wieder zwei große, blaue Augen. Susanna ist nun völlig blond, da die dunklen Erstlingsspitzen ab sind, und sieht aus wie 11 Monate. Am Abend versuchen wir das Städtchen zu erkunden, doch der Markt ist schon vorbei, wir werden anfdauernd von Kindern und Händlern angequatscht und irgendwann fühle ich mich nicht mehr wohl, da nur Männer die Restaurants besetzen und uns anstarren und die Jungs sich über Maja lustig machen, die ich als sie sie dann anfangen zu ärgen wegschicke. Die Nacht verbringen wir mit offenen Türen, Toren und Heckklappe unter klaren Sternen- und Palmenhimmel. Jetzt sind wir kurz vor Abfahrt. Ich dusche nur nochmal kurz in der Dusche mit dem Gecko und dann steht uns jetzt hoffentlich nichts außer der Hohe Atlas im Wege um ans Meer zu kommen. Ich habe schonmal gespingst: in Essouira waren es 20° gestern, aujaaah da wollen wir hin!

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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