Schon komisch, wir sind zwar noch in Marokko, aber irgendwie auch nicht mehr. Ich habe mal einen Bericht von einem Pärchen gelesen, die mit Baby nach Marokko gereist sind und schrieben, dass es in Marokko jetzt nicht wirklich soo anders ist und man auch alles bekommen würde. Naja, die sind ja auch in Agadir mit dem Flugzeug gelandet und von Hotel zu Hotel gefahren. Ist ja auch in Ordnung, Agadir ist aber nicht wirklich Marokko. Agadir ist Millionenmetropole, Hotelpaläste, Strandpromenade, Mega-Einkaufszentren, neue Autos, gestresste Menschen, Hotel-Baustellen. Könnt auch irgendwo bei uns in Spanien um die Ecke sein. Für uns kommt der Westen ein Ticken zu früh. Ich sitze im Bus und denke, och nööö, ich wollt doch noch in Marokko bleiben.
Als wir Zagora am Donnerstag verlassen, haben wir richtig Glück mit dem Wetter: Wolken und Wind zur Abkühlung. Da wir uns mit unserer unsicheren Antriebswelle leider nicht über einen der wohl spektakulären Pässe des Hohen Atlas trauen, umfahren wir die Bergkette. Man muss sich immer noch was für’s nächste Mal aufbehalten. Die zwei Pässe reihen sich somit ein zu Kameltour in der Wüste, Sandboarding in den Dünen, Nacht im Beduinenzelt in der Wüste, Djabal Toubcal, Offroaden in der Wüste und bestimmt noch die ein oder andere Schlucht. Nehmen wir den Weg durch die relativ unspektakuläre Sous-Ebene, wobei wir bei Agdez zunächst auf einer Nebenstrecke durch kahle, aber irgendwie immer wieder imposante Berg- und Hügelwelten fahren. Und was ist denn jetzt los?? Über bestimmt 80 Kilometer läuft kein Marokkaner an der Straße entlang?? Ich weiß, hier ist nichts und hier kommt auch nichts, aber das hält doch einen Turban davon nicht ab, an der Straße entlang zu schlendern!! Dafür hat Matthias jetzt ein Grinsen auf dem Gesicht. Er hat tatsächlich ein Erdmännchen gesehen, was mir hinten im Bus leider verwehrt bleibt. Die Strecke wird mal wieder zum Abenteuer, denn bei der Hälfte ist Schluss mit gemütlich, windigen Rumgegurke. Für die nächsten 30 Kilometer müssen wir Piste fahren, da die gesamte Strecke eine einzige Baustelle ist und wir des Öfteren den Baustellen-Kolossen aus Stahl, Reifen und Staub ausweichen müssen und wir froh sind, wenn für solche Manöver in der Bergstrasse etxra kurze Seitennischen eingebaut wurden. Auch die gesamte Landschaft drumherum wirkt wie Baustellenberge mit seenartigen Zementbecken, was wir manchmal nur noch schemenhaft erkennen können, da uns mal wieder ein Monstrum an Laster mit einer weißen Wand aus Staub und Dreck beglückt. Matthias Adrenalinpegel steigt und sinkt mit der Berg- und Talfahrt. Seine Handknöchel springen schon weiß hervor, da er sich an sein Lenkrad klammert. Wir Mädels kriegen vonder Stimmung vorne weniger mit, da meistens alle Vorhänge zum Sonnenschutz zugezogen sind, die Luftgitter der Fenster bei dem Wind irrlaut rattern, der Bus sowiso eine erhebliche Geräuschkulisse von sich gibt, insbesondere bei Pistenwegen, und oft auch noch Afrika- oder Kindermusik aufgedreht sein muss beziehungsweise ich die Kinderlieder selber singen darf. Scheinbar eine fröhliche Welt hinten während vorne die Welt untergeht.
Wo nichts ist, ist natürlich auch kein Campinplatz und wir müssen noch bis nach Taouiline fahren. Dafür bekommen wir aber einen Platz mit grandioser Aussicht auf den Ort, der in einem grünen Talkessel liegt umgeben von Sonnenuntergangsstimmung und braunen Bergen. Wie immer ist der Campinplatz vollkommen leer. Höchstens ein Gefährt steht irgendwo verloren noch mit rum, leider meistens keine interessanten Mitreisenden.
Am nächsten Tag ist Agadir schon bald erreicht. Vorher machen wir unseren üblichen Stopp um mittags eine Kleinigkeit zu essen und wie üblich muss ich alle Augen zu drücken, wenn ich meine glücklich, kichernden Kinder nicht unglücklich machen will. Die Zwei haben es sich zum Sport gemacht, die Restaurantböden sauber zu krabbeln. Quietschend und gackernd krabbelt Susanna Sausefuß meist voran und lachend, quietschend und singend krabbelt, hüpft, springt und krabbelt Maja Minnimaus hinterher. So trauen sich auch beide gerne mal zu den daherflezenden, fußball-guckenden oder einfach-nur-so-guckenden Männern, die grinsend rüberschnipsen oder sich beim Umhergucken nicht aus der Ruhe bringen lassen. Da wir Agadir nichts abgewinnen können udn es uns eher etwas melancholisch stimmt, suchen wir uns zumindest einen Campinplatz weiter nördlich an der Atlantikküste in Tamarkhant. Es erwartet uns ein großer, leerer westlicher Campingplatz, das heißt: Stellplatz-Parzellen, saubere Untergründe, warme Duschen, ordentliche Klos, Wasserhahn direkt am Stellplatz, asphaltierte Wege zum Bobby-Car düsen, Pool und Straßenlärm und ein paar verirrte, schneeweiße Wohnmobile. Irgendwie sehne ich mich jetzt schon nach dem abenteuerlichen Marokko, wo uns jeden Tag egal welchen Campingplatz wir ansteuerten etwas absolut Unerwartetes erwartete. Hier erwartet den Matthias zunächst einmal der Höhepunkt seines Unwohlseins, und dem seines Magen und Darms. Jetzt sind wir doch froh, hier zu sein und am nächsten Tag, als es etwas besser wird, einfach nach Agadir in den Mega-Store Marjane zu fahren und uns mit abwechslungsreicheren, sowie diätischen Lebensmitteln einzudecken. Uns drei Mädels geht es weiterhin gut und abends am Strand erst recht. Maja kriegt nicht genug vom Meer und vor den Wellen wegzulaufen, beziehungsweise in sie hinein. Und Susanna ist im Sand nicht mehr zu halten. Wie der Blitz krabbelt sie uns kichernd davon und hinterlässt ihre Schildrkrötenspur. Matthias kann sich bei dem angenehmen Klima endlich etwas erholen. Gottseidank, denn es gibt Putenschinken! Maja verschlingt direkt drei Brote und doppelt soviel Schinken. Wie gesagt, man kann alles in Marokko bekommen. Wenn man Krösus ist, denn fast hätt ich nach meiner geliebten Salakis-Schafskäsepackung gegriffen… 7 Euro! Jenseits des Hohen Atlas gibts nur Fladenbrot, Marmelade, Margarine, Joghurt, H-Milch, Wasser, Orangen-Nektar, Soda, Gemüse und Obst. Alles gut, aber nach drei Wochen; Fladenbrotfrühstück mit Marmelade geben wir auch mal das Geld für Gouda und Schinken aus. Pampers gibt es erstaunlicherweise in jedem verstaubten Eckchen in Marokko, allerdings alle mit irgendeinem einem Düftchen und stark ausschlagverdächtig. Ich habe schon ein Reservat an ausrangierten Windel angelegt udnd ie nächste Mama mit Baby wird eingedeckt.
Und dann bekommen wir doch noch Besuch. Drei Mädchen gehen erst schüchtern an unserem Platz vorbei, kehren dann um und ohne ein Wort zu sagen bekommen Maja, Susanna und ich jeder eine Umarmung und ein Bussi auf die Wange und dann sind sie auch wieder wortlos verschwunden. Das Gleiche passiert uns gleich mehrmals am Strand. Irgendwie total lieb ist das, finde ich, während man in Deutschland sich kaum traut einfach so ein fremdes Kind anzufassen. Dass Susanna immer irgendwohin verschwindet, weil wieder jemand sie auf den Arm nimmt, verfolgen wir zwar immer noch mit Adleraugen (und manchmal bin ich schon froh, wenn sie sich dann doch lieber bei mir versteckt), aber sie kommt immer wieder grinsend zurück. Die drei Abende in Tamarkhant verbringen wir immer am stürmischen Meer unten am Strand, doch der letzte Abend, wo Matthias auch schon wieder fit ist, ist ganz besonders schön. Die Sonne geht hier sehr schnell unter und es gibt nur ein paar Minuten dieser goldenen Sonnuntergangsstimmung. Danach so um halb zehn ist es dann schnell dunkel. Diesmal bleiben wir bis zum Ende. Doch erstmal lösen wir der Maja ihr Versprechen ein und ich darf mit ihr einen Strandritt auf einem für meinen Geschmack Riesen-Kamel. Das schaukelt ganz schöön! Sagt Maja. Ohja, dennoch darf auch Susanna mal kurz zusätzlich mit durch die Lüfte schaukeln. Mit festen Boden unter den Füßen wird dann noch lange weiter gespielt, getobt, gekrabbelt, geplanscht und gelacht. Ob als Nackedei oder Windelflitzer. Maja und ich üben Handstand oder Schubkarre und Susanna darf auch mal den Flieger machen, während Maja mir den Sand auf die Stirn pappt. Matthias, der Paparazzi, schießt dabei die Speicherkarte voll und als die Sonne so richtig schön kitschig untergeht muss ich ihn noch schnell von einem Abschlepper auf’m Pferd befreien, damit wir wenigstens kurz einen ruhigen, verträumten Moment haben.
Am nächsten Tag am Montag kommen wir erst spät weg, denn manchmal ist es echt ne Ackerei, alles aufzuräumen, den Bus umzuräumen, Kinder zu bespaßen oder Hunger und Durst zu stillen, uns fertig machen, Zähne putzen, Haare kämmen, Bus starten, Dach runter, Gepäcktasche aufmontieren, alle in die Sitze udn als wir losfahren wollen haben wir schon wieder Hunger wegen Mittagszeit. Also am nächsten Ort wieder anhalten (Maja: „Ich hab jetzt keine Lust mehr, jetzt kann die Maja aussteigen. Ja! Hier bleiben wir.“), sie davon überzeugen, dass wir ja gerade erst losgefahren sind, Sandwiches essen, endlich wirklich los. Die Küstenstraße ist einsam und spektakulär. Die sandigen Berge gehen schroff ins Meer über, das heute so richtig wild auf die Küste prallt. Es weht ein unglaublich starker Wind, der uns bis Essaouira begleitet.
Mittlerweile ist es dunkle Nacht, nur Mond und Sterne (am fluoriszierenden VW-Bus-Himmel) spenden ein wenig Licht. Rechts neben mir schlummert eng an mein Bein gekuschelt seelig die Susanna, während Maja noch mit offenen Augen links an mir dran kuschelt und mir immer wieder den Arm hinstreckt und flüstert: „Weiter streicheln!“ Diesen Beitrag hab ich größtenteils einhändig geschrieben… Meine „udn“ und „usn“ bleiben erstmal weitgehend unkorrigiert.