Et kütt einfach nicht!

Und damit is nich der Zoch gemeint. Der kütt hier genauso pünktlich wie in Deutschland, also manchmal dann eher was später, ävver er kütt. Dafür kütt se nich. Meine Inspiration!!! Boah eh. Mannomann, das geht ja gar nicht. Normalerweise setze ich mich an die Tasten und innerhalb von wenigen Stunden sind die Worte durch meine Finger geflossen und landen Satz für Satz hier in den Blog. Immer wieder am Tag fasse ich Erlebnisse und Gedanken in Wörter in Sätze in Artikelbruchstücke. Jetzt fließt da seit Wochen nix. Obwohl ich echt Lust hab zu schreiben. Immer wieder anfangen und immer wieder abbrechen. Es klappt nicht.

Ich liebe Schreiben. Es ist wie Meditation. Eine Tiefe, ein Flow, ein Abtauchen, ein Auftauchen, ein Grinsen, ein Seufzen, ein Kichern, eine Kunst. Es ist Klarheit und Fokus und ein zufriedenes Gefühl die richtigen Worte zu finden. Und wenn ich dann auch noch jemand zum Abtauchen, Mitfiebern, Inspirieren und Kichern bringe, umso besser. Doch eine innere Unruhe erfriert die Worte in meinen Fingerspitzen. Eine Kälte und Ablenkung, die meine Inspiration stagnieren lässt. „Et kütt halt wie et nit kütt.“ erklärt mir Matthias auf bayrisch (denn in Kölle heißt dat irjendwie anders). Es ist als ob ich mir einen Spaziergang vorgenommen habe und mich zum Marathon anmelde. Kilometer für Kilometer an Worten, die sich nicht zu einem Kunstwerk zusammenfügen wollen. Also trainiere ich noch ein wenig, verändere die Rahmenbedingungen und mache den Schwedenofen an. Mit der Wärme, der Ruhe (zwischen zwei zankenden Kindern) und der Zeit wird mein Marathon zum Rahmen. Denn so fühlen sich die letzten sechs Wochen an, wie ein Marathon. Ein Marathon in der wohl schwierigsten Disziplin der Menschheit: dem Warten.

Kilometer 0 bis 1 – Prolog

„Geduld ist ein Baum, dessen Wurzel bitter ist, die Früchte aber sehr süß.“ lese ich und ich kann einfach nicht glauben, dass dieser Spruch nicht aus Schweden kommt. Jaha! Schweden ist voller Bäume! Im Herbst auch noch kunterbunt. Leider nicht voller Holz (dazu jedoch später) und die Geduldswurzeln schmecken sehr bitter und sauer. Wenn ich weiß, was ich will, dann bitte sofort. Zumindest sofort auf den Weg machen. Der Dschungel der schwedischen Bürokratie ist unser großer Lehrer in Sachen Abwaaaarten und Kaffee trinken. Damit Kaffee und Baumwurzeln nicht zu frustriert schmecken, tun wir ordentlich Zucker rein. Denn Geduld ist nicht die Fähigkeit zu Warten sondern beim Warten auch noch gut gelaunt zu bleiben, wie mir Google verrät. Also besser schnell noch Chokladbollar und Kanelbulle zur Geduldswurzel Kunterbunt!

Warten ist ein beliebter Sport der Schweden, der mich leider nicht schlank und fit macht. Es gibt die Kategorien Warteschlange und Wartenummern-ziehen. Beliebt ist auch das Termine-machen-für-die-nächste-Woche, und ich bin mir sicher irgendwo gibt es auch das Termine-für-Termine-machen-Angebot. In Läden wartet man brav bis der Verkäufer auftaucht, Rekordwarten betrug bei uns 20 Minuten im Fahrradladen bis wir den Verkäufer im Nachbar-Imbiss fanden. Diese Geduld und die entspannte Fähigkeit des Wartens machen vor allem den Straßenverkehr zu einem Himmelreich. Ich bin ein wenig neidisch auf die besonnenen Gemüter der Schweden, die das mit der Geduld und den süßen Früchten längst verstanden haben. Die Afrikaner behaupten ja, die Europäer hätten die Uhr und sie hätten die Zeit. Nun… sie haben wohl noch nicht die Schweden entdeckt.

Kilometer 1 bis 11 – Motiviertes Warten

Kaum dass wir in unser Mietshaus eingezogen sind, sammeln wir alle Unterlagen für die Personennummer und schaffen tatsächlich eine reibungslose Beantragung dieser Nummer ohne die ein schwedischer Alltag nicht funktioniert und die die Voraussetzung ist für die Eröffnung eines Bankkontos, ohne das das Leben hier ebenfalls nicht funktioniert. Allem voran kein Hauskauf. Wir erfahren, dass die Wartezeit auf die Nummer 4 bis 18 Wochen dauert und fallen an Tag 13 aus allen glücklichen Wolken als wir Post bekommen und drin stehen unsere Nummern!!! Das ist quasi ein Rekord. Doch kein Warte-Training absolvieren! Auf geht’s ins Leben, juchuh!!!

In den vier Wochen im Haus ohne die Nummern und auch noch ohne Schule ist das Leben dennoch ein süßlicher Genuss. Nachdem wir aufgrund des Herbstwetters uns noch nicht wieder in See und Meer getraut haben, erstrecken sich unsere Ausflüge auch in andere Richtungen. Zum Beispiel nach Norden in die Wälder auf den Autofriedhof von Ryd, wo ein alter Schwede vor seeehr vielen Jahren 150 Ersatzteilfahrzeuge abstellte um seine Landwirtschaftsmaschinen zu reparieren. Die Natur hat sich aber sehr liebevoll um die Autos, Laster, VW Busse, Traktor und Fahrräder gekümmert. Auch Pippi scheint ihr altes Fahrrad hier vergessen zu haben.

Ein weiteren Uraltersatzteil-Markt haben wir einem sehr unglücklichen Zufall und unseren mangelnden Schwedischkenntnissen zu verdanken. Eine Woche lang freuen sich die Kinder schon auf den Tier- und Pferdemarkt in Tingsryd. Das Plakat ist in Pferdeform, und Veteranmarknad übersetzen wir frei mit Veterinärmarkt. Was für eine unfassbare Enttäuschung, dass die Pferdestärken nicht auf vier Hufen daher kommen, sondern auf vier Rädern. Ein überwältigender Autoteilemarkt für Oldtimer (veteran = vintage) mit hunderten von frisch aufpolierten Oldtimern auf der Pferderennbahn von Tingsryd! Das einzige was an Pferde erinnert, sind ein paar platt getretene Pferdeäpfel auf der Bahn. Je weiter die Mundwinkel der Mädels nach unten gehen desto weiter verbiegen sich die von Matthias und Henry nach oben. Diesen Fauxpas werden die Mädels uns nicht so schnell verzeihen.

Dafür bekommen sie Schritt für Schritt mehr Vertrauen in unser Gesamtprojekt der Auswanderung. Immer weniger schimpfen sie über ihre gemeinen Eltern, die sie noch nicht mal richtig gefragt haben, ob sie überhaupt das Haus verkaufen wollen und ins Sch…Schweden ziehen wollen. Wenn wir unsere Mädels so betrachten sehen wir, wie sie hier wieder zu sich selbst finden, wie sie aufblühen und es genießen in der Natur zu spielen. Das allerdings erstaunlicherweise erst seitdem wir das mit dem Campen aufgehört haben.

Direkt in unserer Nachbarschaft fließt die Mörrumsan, wo wir gerne wandern, picknicken und intensiv auf die Wasseroberfläche starren. Urplötzlich durchbricht dann wie bestellt ein Lachs die Wasseroberfläche, löst hörbar einen kleinen Tsunami aus, fliegt senkrecht durch die Luft und klatscht ins Wasser. Immer das gleiche Schauspiel: einer von uns schreit begeistert „Boah!“, die anderen (viel zu spät) „Wo? Wo? Wo?“ und starren „och männo“ auf die letzten Tsunamiwellen. Der Fisch schwimmt währenddessen natürlich weiter, durchbricht woanders die Wasseroberfläche, löst einen kleinen Tsunami aus: „Boah!“ – „Wo, wo, wo?“ – „Och männo!“ … und so weiter. Hat sich bis heute nicht verändert. Wir balancieren auf Stegen, Balken und Brückenüberresten, bleiben andächtig vor einem wilden Hornissennest stehen oder lassen uns vom herbstlichen Fluss berauschen.

Wasser umgibt uns hier ständig. Wenn wir nicht am Fluss sind, dann am nächsten See und immer wieder am Meer. Zwischen den Schären ist die Ostsee tatsächlich eher wie ein See: ruhig, endlich und dennoch wild und einfach wunderschön. Egal bei welchem Wetter. Die Kiefernwälder reichen teilweise bis ans felsige Ufer und wir stoßen bei unseren Ausflügen selten auf eine Menschenseele. Einfach nur Mutter Erde und wir. Und ein paar Nebelkrähen. Doch schon ein paar Kilometer weiter westlich treffen wir bei Sölvesborg auf Wellen, Sandstrand, Möwen und Meeresrauschen. Eine spontane Wanderung führt uns durch eine freilaufende Kuhherde. Nur ein Bulle stellt sich mampfend uns in den Weg, so dass wir lieber den Rückzug antreten und uns in süße Brombeeren schlagen als den Leuchtturm zu erkunden. Wir haben Zeit. Da wir nun hier leben, brauchen wir nicht alles beim ersten Mal entdecken.

Noch ist der Geduldsbaum jung und im Wachstum, da sind die Wurzeln nicht so bitter. Noch warten wir beschwingt Kilometer für Kilometer.

Kilometer 11 bis 21 – Warten mit ID Hindernissen

Euphorisch wedeln wir der Schulleiterin und dem Bankangestellten die Dokumente unserer neuen Personennummer vor der Nase herum. Während das mit der Schule schnell geklärt ist, müssen wir für die Kontoeröffnung erst einen Termin machen in der nächsten Woche. Nach einer Woche warten dann, teilt man uns an dem Termin mit, dass ein Konto nur mit einer ID Kort geht, also einem Ausweis. Der nächste Termin für die Ausweisbeantragung ist erst in zwei Wochen und geht auch nicht hier vor Ort sondern eine Stunde entfernt im überregionalen Skatteverket, dem Einwohnermeldeamt. Dann dauert es nochmal zwei Wochen bis wir die Ausweise abholen können. Hallo Universum? Eigentlich hatte ich ja anders bestellt!!! Irgendwas mit bitte schnell, oder so.

Und eigentlich hatte ich das eine Haus am Meer bestellt. Wir durften sogar unser erstes Gebot abgeben und trauten uns in den Bieterkrimi, denn hier bekommt derjenige Haus der am meisten bietet: Tagelang sind wir der Höchstbietende und dann zack. Mitten im schönsten Schwimmbadtag fangen andere an sich in schwindelerregende Höhen zu bieten und wir taumeln erst mal wie Bojen im Warmwasserbecken, enttäuscht und bewegungslos. Macht nix, wir rappeln uns ja immer schnell wieder auf und begeistern uns für ein Haus nach dem anderen. Wir beginnen unsere Ausflüge immer mit einem Haus „Til salu“ zu verbinden, welches wir satelitenmäßig umkreisen und wir somit unsere nahe und entfernte Umgebung kennenlernen. Wir spüren vor Ort in das Leben, die Natur und die Supermärkte ein und entdecken so viele wunderschöne Ecken und auch einige, wo wir definitiv nicht leben möchten. So bekommen wir nach und nach ein Gefühl, wo es uns hinzieht und unser Magnet ist immer noch das Meer. Stundenlang können Matthias und ich die Häuser analysieren und das Für und Wider abwägen. Was fühlst du, was seh‘ ich, kuckma hier, und außerdem… irgendwie begeistern sich die Kinder nicht so für unsere verbalen Gedankenlawinen und Spaziergänge um die Gegend anzuschauen und sich auszutauschen. Beim Wort „Haus“ rollen sie mittlerweile die Augen.

Dem Zauber der Naturreservate und des Meeres können sie sich dennoch nicht entziehen. Neben Järnavik hat auch Eriksberg es uns angetan. Ein Wild- und Safaripark außerhalb der Saison geschlossen. Dennoch dürfen wir mit unserem mitgebrachten Fika das Tor passieren bis zum Hotel und man zeigt uns ein wunderschönes Plätzchen am See mit Kletterwand und Outdoor Fitnessgeräten. Wir fühlen uns reich beschenkt vor allem mit der Bekanntschaft einer lebensfreudigen Strahle-Frau, die uns verrät, dass sie in dem schönen Nachbarörtchen wohnt. Hmmm, da schauen wir uns auch bald ein weißes Schwedenhäuschen an…

Pause bei Kilometer 21 – Endlich Schule!

Für die Verschnaufpause beim Marathon entführe ich euch in die Schule. Irgendwann ist es nämlich soweit und die Mädels dürfen hier vor Ort in die Waldorfschule. Wir haben schon früh den Schwerpunkt unserer Sesshaftigkeit auf das Finden der richtigen Schule gelegt. Wir wollen unseren Kindern etwas Vertrautes und Bekanntes ermöglichen und da sie in Deutschland auf einer wirklich wunderbaren Waldorfschule gewesen sind, wollen wir diese Form von Freier Schulpädagogik beibehalten. Auch wenn in Schweden grundsätzlich ein entspannterer Schulalltag herrscht und die meisten der Schulen mit weniger Leistungsdruck, mehr Projektunterricht, und kleineren Klassen arbeiten. Ja, es schränkt uns in der Häusersuche sehr stark ein und wir werden unseren Plan von einem Hof nochmal überdenken müssen, da wir merken, dass Höfe in unserer Preisliga doch sehr weit abgelegen liegen und zu weit weg von der Schule.

Noch vor wenigen Wochen waren unsere Mädels davon überzeugt, dass sie in diesem fremden Land auf gar keinen Fall in eine Schule gehen möchten und niiiieemals nie und nimmer Freundinnen haben werden. Der Wind hat sich gedreht um 180 Grad und ist auch nicht mehr so stürmisch. Mittlerweile haben sie mehrere Freundinnen, sind froh, wenn Montag ist und endlich wieder Schule (ja, wir sprechen hier von unseren zwei Töchtern). Sie verständigen sich furchtlos mit Kindern und Lehrern, lernen spielerisch die Sprachen (schwedisch, englisch, Handzeichen und spanisch) und Schweden ist das Schönste Land der Welt. Das ist wirklich so, ich übertreibe nicht. Noch bis heute kann ich es nicht fassen, wie überglücklich meine Mädels mittlerweile hier sind und diese Schule, die Menschen dort und der entspannte, respektvolle Umgang mit allen untereinander tragen Meilensteine dazu bei. Bei all der Begeisterung, will ich euch aber auch erzählen, dass wir letztens vor der großen Aufgabe standen und 30 Fischstäbchen auf uns 5 verteilen mussten und nicht ganz klar war, ob 30:5 nun 26 oder 4 oder so sind.

Einen der für mich wichtigsten ersten Sätze eines Lehrers hier war, dass an erster Stelle der soziale Umgang miteinander steht als die reine Wissensvermittlung. Wissen können wir uns mittlerweile sehr schnell und einfach aneignen, aber zu lernen wie man Konflikte friedlich löst, so dass man sich danach noch mag, wird später immer schwieriger. Ich habe laut gejubelt bei seiner Aussage. Und tatsächlich gebe ich gerne meine Fischstäbchen an so manchen der großen Mächtigen der derzeitigen Schlagzeilen ab, die so viel Verantwortung tragen und anscheinend nicht satt werden können. Ich nehme in Kauf, dass 30 durch 5 nur noch 1,3 sind, wenn dafür alle auf dieser Welt anfangen mit Zuhören, Herz und Verstand verbinden, Natur kapieren und sie verehren. Ist es denn so schwer, dass man seinen Gegenüber nicht erniedrigt und zerstört sondern ihn erhebt, motiviert und sich zusammenbringt? Ja, das ist es in der Tat! Viel zu viel Arbeit an sich selbst, Fehler eingestehen und nochmal von vorne beginnen, da man es in der Schule ja leider nicht gelernt hat. Und es scheint viel zu viel Menschen zu geben, die das nicht ändern möchten. Sie sind zu hungrig. Noch mehr Fischstäbchen bitte! Unser wirklicher Wert misst sich doch daran wie glücklich wir sind und nicht wie viel Leistung wir erbringen, wie viel Zeug wir dadurch kaufen oder wie viel nun 30 durch 5 ergibt. Wir alle wissen dass es 4 ist, hab ich letztens von Pippi Langstrumpf erfahren!

So. Und nun zurück zur Welt wie sie uns gefällt: bunt! Ende der Pause. Bitte weiter warten.

Kilometer 21 bis 32 – Harte Lehrjahre in der Geduldsschule

Wir wollen nicht warten. Deswegen schaut Matthias eines Tages rein zufällig in den Online-Terminator (Online-Termine-Macher) des Skatteverket, ob nicht doch ein früherer Termin frei geworden ist um die ID Kort zu beantragen. Tatsächlich! Heute in drei Stunden! Wir zögern nicht, stürmen die Schule (mit Vorankündigung), schnappen uns die Mädels und fahren zur Beantragung nach Karlskrona. Läuft alles wie am Schnürchen, in vier bis 14 Tagen können wir den Ausweis abholen, wir bekommen dann Post. Yeah!!! Wir sind ja verwöhnt und überzeugt, dass das diesmal wieder mehr als schnell gehen wird. Schon nach einer Woche ohne Post werden wir nervös. Auf gut Glück fahren wir einfach wieder zum Skatteverket um nachzufragen, ob die Ausweise da sind und werden beide kreidebleich, so dass mir beinahe die Knie wegknicken.

Ich sollte vielleicht erwähnen, dass wir in der Zwischenzeit eine Hausbesichtigung von dem kleinen, weißen Schwedenhaus hatten, nur um mal zu vergleichen wie so ein komplett renoviertes, fertiges Haus mit wenig Grund für schwedische Verhältnisse für einen angenehmen Preis aussieht. Es ist ein Tag, an dem wir alle gar keine Lust auf die Besichtigung haben, da das Haus einfach nicht in unser Beuteschema fällt. Zu klein, zu wenig Grund, in einer Wohnsiedlung. Es ist überraschenderweise Liebe auf den ersten Blick. Für alle Fünf. Und wir haben gute Chancen es zu kaufen, weil es keiner haben will, da es im Internet recht bescheiden dargestellt wird. Welch ein Glück! Doch wir brauchen verflixtundzugenäht diese ID Kort um ein Bankkonto zu eröffnen. Und nun stehen wir da und man erzählt uns, sie hätten die Beantragung an ein anderes Büro weitergeleitet und nun kann es noch 6 bis 8 Wochen dauern. Bis dahin ist unser Traumhaus über alle schwedischen Berge. Uns bleibt nichts anderes übrig als zu warten, da man einfach nichts machen kann.

Kilometer 32 bis 39 – Nur nicht ans Warten denken!

Bisher haben uns alle Makler und Bankangestellte versichert ohne diese ID Kort geht nix. Davor war es die Personennummer, davor die feste Adresse und wir sind nun so verunsichert. Denn was kommt noch, was wir brauchen um einfach am schwedischen Alltag teilzunehmen und uns auch mal auf Sachen wie unsere Selbstständigkeiten oder Sprachkurse zu konzentrieren? Wir sind wirklich geknickt, sehr traurig und lenken uns ab mit Loppisbesuchen und Fahrräder organisieren.

Ein Loppis ist ein schwedischer Flohmarkt und ich versuche schon die ganze Zeit einen Satz zusammenzustellen ohne die Mehrzahl von Loppis zu benutzen. Diese Flohmärkte sind über das ganze Land verteilt ob privat, gemeinnützlich oder auch gewerblich und man kann dort wirklich alles Gebrauchte, Antike oder Selbstgemachtes finden und noch viel mehr. Manch ein Loppis versteckt sich in den schönen, alten Nebengebäuden der Höfe und so verbringen wir Tage damit ins Land hinein zu kurven. So haben wir auch gleich wundervolle Begegnungen, zum Beispiel mit dem deutschen Bäcker, der keine Lust mehr auf Brötchen backen hat und nun leckersten Kuchen zum Fika in seiner alten Scheune mit Schwedenofen anbietet. Dort erfahren wir allerhand über diese tolle Kachelöfen und finden endlich heraus wie der in unserem Mietshaus tatsächlich mit einer kleinen Portion Holz über den gesamten Tag das Haus heizt. Wir sind begeistert und fragen beim nächsten Loppis nach, ob er vielleicht einen kenne, der Holz verkauft. Denn auch in Schweden gibt es kein Feuerholz mehr. Tatsächlich organisiert er uns bei seinem Nachbar (einen Kilometer weiter hinten) eine Toyoladung voll Holz. Wir begraben die erstandenen Fahrräder mit Birkenholz und kommen in den Genuss einer Führung in das kleine Kettensägenmuseum des jungen Holzfällers.

Bei einem anderen Loppis sind wir begeistert vom Bauernhof der holländischen Familie. In einer Scheune restauriert die Frau alte Möbel zu Vintage-Kunstwerken. Wir lernen die Ziegen, die Hunde, die Katze, die Hühner, die Küken und das Hausschwein kennen. Alle gemeinschaftlich freilaufend, selbst die süße Schweinedame darf im Winter sich im Wohnzimmer an den Kamin kuscheln. Und als sie (also die Frau, nicht die Schweinedame) von der Pferdeliebe der Mädels erfährt, führt sie uns auf die Koppel. Nach ein paar Rufen galoppieren uns ein Shetty, zwei große Pferde mit einem Fohlen im Schlepptau entgegen. Alle umrunden und begrüßen uns und ich fühle mich wie bei Ostwind auf Ora.

Wenn auch die Bürokratie eine echte Hürde ist, die Natur und die Menschen entschädigen einfach alles. Wir entspannen uns allmählich und erfahren dass unser Hochzeitstag nun alljährlich auf den berühmten, schwedischen Zimtschneckentag fällt. Das entdecken wir nur, weil uns ein süßer Duft in eine superschöne Vintage-Bäckerei führt, wo wir uns zu sehr verführen lassen. 50 Euro später: Wer braucht schon Champagner, wenn man mit Kanelbulle und Camping-Kaffee anstoßen kann. Ein ander Mal stoßen wir auf den Kilometerstand des Toyo an und feiern die 500.000 km mit einem E-Kaffee, wozu Matthias aus Mangel an Feuerzeugen zum Anzünden des Gaskochers die Autobatterie des Toyo kurzschließt. Ja und dann telefonieren wir doch nochmal mit der Maklerin und anscheinend gibt es einen Weg, wie wir zumindest uns das Haus schon mal vertraglich sichern könnten. Et läuft.

Kilometer 39 bis 42 – Ein langer Endspurt, denn et kütt einfach nich

Da sind wir also, et is halt wie et is. Noch nicht am Ziel, welches wir jedoch Mitte Januar erreichen könnten. Wie bei jedem Marathon, sind die letzten Kilometer die längsten. Es bleibt spannend, da wir einfach nichts über den Verlauf unseres ID Antrages erfahren. Vielleicht müssen wir einfach echt nur weiter warten, dat kütt dann schon. Vielleicht steckt in Schweden ja auch ein bischen Kölle. Genauso wie wir auf ein paar Infos noch von der Maklerin warten. Immerhin stehen unsere Unterschriften schon auf dem Vertrag! Im neuen Jahr dann können wir hoffentlich am Ziel die zuckersüßen Früchte des Geduldsbaumes ernten. Et hätt schließlich noch immer jod jejange. Und ein paar Fischstäbchen gibt’s obendrauf! Oder nen Muffin. Oder ne Zimtschnecke. Oder…

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Unser Landcruiser

Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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