Wie aufregend! Ab morgen (Montag) sind wir ohne unseren Petit Pied. Morgen heißt es um 6h30 aufstehen noch ein bisschen sauber machen, uns auch, frühstücken und los zum Hafen von Lavrio. Keine Ahnung was uns ab dann erwartet, wie einfach griechische Bürokratie funktioniert, wie wir mit dem Bus zum Flughafen kommen, wo uns Vicky von Airbnb abholt bei der wir für eine Nacht bleiben. Die Spannung steigt vor dem ersten Flug mit unseren Mäusen und weitere fünf Nächte ohne Petit Pied in einem anderem Airbnb Appartement in Haifa und ob der Landcruiser dann tatsächlich komplett dort ankommen wird.
Gut, dass wir ein paar Tage Urlaub hinter uns haben.
Nachdem wir am (rechnerechnegrübelüberlegrechne) Samstag, 7.4. nachmittags das chaotisch geordnete Prozedere des Runterfahrens von der Fähre hinter uns haben, steuern wir einfach kurz hinter Patras das Meer an. Und flüchten sofort wieder ohne es gesehen zu haben. Uns ist unheimlich zumute, gar kein gutes Gefühl, obwohl ich mir mehrfach sage “Miri, die Angst ist nur in deinem Kopf. Die Wirklichkeit hat nichts mit dem momentanen Kopfkino zu tun!“ Matthias gibt nur noch Gas auf dem Stolperweg. Warum? Urplötzlich befinden wir uns inmitten dunkelhäutiger junger Männer inmitten von Baracken, slumähnlichen Blechhütten und Planen. Es sind wirklich viele und als wir zwei mit einem Messer bewaffnet sehen, fühlen wir uns nicht wohl hier in der Nähe wild zu campen. Das ist unser erster Eindruck von Griechenland und ich kann nicht glauben wie schlimm das Problem mit den Flüchtlingen hier wirklich ist. Das arme Griechenland und die armen Menschen, die all diese Strapazen auf sich nehmen um scheinbar ein besseres Leben zu bekommen. Und wie schnell mein Verstand aufhört auf mich zu hören. Kaum trifft man auf unangenehm Fremdes, schon reagiert der Körper mit Angst. Wir steuern den nächsten Campingplatz an in einem wunderschönen, grünen bewaldeten Naturschutzgebiet. Wir sind die einzigen auf dem kleinen schattigen Platz, und werden mit freundlich jubelnden Worten begrüßt, denn heute ist der erste geöffnete Tag. Es vergeht keine Stunde und Matthias ist bester Kumpel des sehr griechischen Besitzers und wir schämen uns fürchterlich für unser verrücktes Kopfkino. Nein, er hätte noch nie einen Flüchtling gesehen, das seien alles junge Pakistani, die in der Saison auf den Feldern arbeiten, aber da zurzeit in Griechenland Ostern ist, haben sie nichts zu tun und lungern halt herum, aber bisher gab es keine Probleme, alles nette Leute. Jaja, die Deutschen und ihre Medien, wir hätten ja auch geglaubt ihnen geht’s so schlecht, dass sie nichts mehr zu essen hätten.
Ja! Der Fokus unser Medien und was wir alles glauben zu wissen! Ich ärgere mich, dass mein Verstand mir diesen Streich gespielt hat. Denn das ist doch genau ein Grund meiner Reiseleidenschaft. Ich will sehen wie die Welt wirklich ist.
Mit dem süßen Campingplatz sind wir also in unsere Komfortzone geflüchtet. Und Maja ist komplett draußen. Haben wir doch das Meer versprochen. Es gibt zwar neben uns einen Spielplatz mit Schaukeln, doch oweh da ist ein fremdes Mädchen, dass eine komische Sprache spricht und sie traut sich absolut nicht dahin. Also spannen wir die Hängematte auf, außerdem gibt es hier unzählige Pinienzapfen mit denen sich unsere Kinder hundert verschiedene Spiele ausdenken. Und zusammen mit einer besonnenen Susanna ist der Spielplatz dann doch bald bespielbar. Matthias‘ neuer bester Freund stattet uns am nächsten Tag noch mit Karte und guten Tipps aus. Endlich geht es auf zum Meer!
Und das ist echt kalt. Nur was für Bekloppte zum Schwimmen, also ein paar Griechen und mich. Sonst eine Frostbeule liebe ich diese Fluten! Susanna und Maja brauchen auch nicht lange, obwohl sie bibbern wie Espenlaub. Wir haben einen einsamen Stellplatz bei Elea direkt am Meer gefunden und leiten acht Tage Wildcampen auf den Peleponnes ein. Hinter uns Düne, Busch und Wald und vor uns Sand, Kies, Strandgut, Meeeeeer. Kaum ein Mensch zu sehen, dafür ganz viel Sonne und das erste Mal im Sand steckenbleiben. Genau eine Fahrzeuglänge nachdem wir auf dem Strand zuhalten, buddeln sich die Hinterräder lauthals ein. Matthias steigt aus um auf Allrad zu schalten, die Kinder sind völlig verunsichert, ich grinse. “Cooool! Ja!“ Kommt es dann von hinten als ich ihnen erzähle, dass wir feststecken. “Das müssen wir Bastian erzählen!“ Hat unser Freund sie schließlich damit beauftragt, den Toyo mit ihren Sandschaufeln auszugraben. Das jedoch sparen wir uns noch für die Wüste auf. Jetzt erstmal: Erholung!
Dachten wir. Doch unser Zeug ist noch dermaßen fehlorganisiert, dass wir die Tage hier kaum innehalten können. Dennoch gibt es diese Momente, wo wir einfach kurz nichts tun, die salzige Luft atmen und glücklich sind Reise Zeit hinter uns zu lassen in der wir innerhalb von vier Jahren zwei neue Zuhause gebaut haben: ein Haus, ein Petit Pied. Jetzt sind wir dran als Familie! Trotz des Eiswassers verbringen die Mäuse den gesamten Tag in ihrem Meeresplanschbecken, springen über die Wellen und versuchen ihre Flaschenpost loszuwerden. Ich versuche unsere Wäsche im Fluß sauber zu bekommen, durch den wir uns kurze Zeit später mit den Kindern Huckepack durchkämpfen. Matthias baut am Petit Pied unsere Solardusche auf und so langsam fühlen wir uns wie Zigeuner. Wer braucht schon Spiegel oder Uhren? Free and wild und so sehen vor allem unsere Kinder aus. Wir reisen nach drei Tagen eigentlich nur weiter, weil uns Wasser und Brot ausgehen. Das Solarpanel auf dem Dach versorgt uns mehr als genügend mit Strom. Schnell sind Kanister und Wasserstoßstange aufgefüllt (tausend Dank an Bastian und Yvonne von 4x4overlanding.de für diese Leihgabe!), etwas eingekauft, freuen wir uns über einen weiteren einsamen Strand in der Traumbucht bei Pylos. Schön die Sachen ausgepackt, wieder todesmutig in die See gestürzt und kaum draußen, beginnt der größte Mückenüberfall des Jahrhunderts! Ohne unsere Mückennetzkabine und Mückennetze am Heckeingang würden wir wohl jetzt an Blutarmut leiden. Die Kinder sehen aus als hätten sie die Windpocken. Während Susanna die Stiche nichts ausmachen, ist es für die arme Maja die Hölle und wir verbringen noch nächtelang mit eincremen, kühlen, ablenken, kraulen und trösten.
Nur schnell weg, da es am nächsten Morgen nicht besser ist. Wobei schnell bei uns immer noch relativ ist und wir nach drei Stunden einpacken und Mücken jagen völlig entnervt sind und dringend nach Lösungen suchen noch besser den Petit Pied zu organisieren. Unsere Gemüter sind jedoch einfach zu besänftigen, denn wir machen einen Abstecher in das süße Hafenstädtchen Pylos und essen Moussaka. Irgendwie geht der Plan nicht auf frisches Wasser zu organisieren. Alle Hähne, die wir nun an den Stränden finden, stehen still. So queren wir einmal die Halbinsel und haben uns einen kleinen Campingplatz in Astros an der Ostküste rausgesucht. Der ist natürlich geschlossen. Keiner von uns will jetzt noch weitersuchen. Wir finden etwas weiter eine einsame Bucht mit glasklarem Wasser, weißen Kiesstrand, sauber und nur ein gezielter Mückenangriff abends nach Sonnenuntergang. Frisches Wasser gibt es einen Kilometer weiter aus der Stranddusche und Matthias schleppt tatsächlich 35 Liter Wasser heran, welches nur seeeehr langsam aus der Dröppelminna in die Kanister tröppelt. Diesmal stürzen wir uns mit Taucherbrille und Schnorchel in die Fluten. Nicht wie an den anderen Stränden ist das Wasser diesmal ohne Wellen und ohne Plastik. Ich wollte es fast nicht glauben, aber es ist echt traurig! Wenn man nämlich genau hinschaut, schwimmt man mittlerweile durch Mikroplastikteilchen. Erstaunlicherweise liegt kaum Müll rum, dafür befindet es sich klitzeklein im Meer, im Seetang, im Fisch, im Mensch…
Wir entdecken ein paar Minirochen, viele Schatzkiesel und ein paar Fischlein, die einfach nicht an die selbstgebauten Angeln der Kinder anbeißen wollen. Dabei gibt’s doch leckere Gurkenköder. Susanna ist untröstlich, wobei sie sich schon gefragt hat wie man denn Fische tot macht und sie das eigentlich nicht machen will und ich meinte, ich glaube ich auch nicht. Gottseidank also, dass es nur ein stolzes Foto von ihrer Angel mit gefangenen Seetang gibt. Dabei hätten die echt absahnen können. Was hier nicht alles doch so rumschwimmt! Ach bloß wieder ein Schnorchler, denke ich. “Schaut mal“, ruft Matthias begeistert “die zwei Fische da!“ Nur wenige Meter vor unserem Ufer, dort wo ich eben noch schwimmen war, sehen wir nur den Teil, der aus dem Wasser ragt, und diese Rückenflossen sind riesig. Schluck. Das sind nicht zwei… “Matthias, das ist EIN Fisch!“ Der Papa mit seiner Tochter in unserer Nähe spaziert gottseidank Gerede aus dem Wasser. Ich renne zu ihn und zeige auf die sich bewegenden Flossen. Auch schluck. Ihm (einen Griechen!) fällt die Kinnlade runter. “What! Is! That?!“ Ich stimme leise die Melodie vom Weißen Hai an, und seine Augen werden groß und er nickt. Das Riesentier kurvt irgendwann aus der Bucht. Nach einigen Recherchen im Internet (denn hier ist sogar im hintersten Eck noch Empfang der höchsten Stufe, Deutschland, du Hinterwald!) wissen wir, dass es im Mittelmeer 50 Haiarten gibt. Wir zeigen später einem Fischer unser Foto. Der bekommt auch so große Augen, berät sich aufgeregt mit seinem Kumpel und bestätigt unseren Verdacht auf einen Schwertfisch getroffen zu sein. Das wäre so unglaublich selten und wir sollten auf unsere Kinder aufpassen. Manchmal gut, dass unsere Mäuse noch nicht schwimmen können. Nicht gut, dass wir jetzt nochmal lesen konnten was es alles für Viecher in Griechenland gibt. Und daraufhin in Jordanien auch! Unsere Kinder sind begeisterte Überallrumgraber, Steinesammler, Herumgaloppierer, KrabbeltiereaufHändekrabbelnlasser, Schatzsucher und Sandbuddler. Doch unsere Reiseführer betonen immer wieder (ändert sich auch nicht nach dem fünften Mal lesen) was Israel und Jordanien doch für kinderfreundliche Reiseländer sind. Wir üben also Steine erst mit einem Stock umzudrehen, den wir nicht einfach aus einem Gebüsch ziehen, um das wir einem größeren Bogen machen ohne dabei barfuss zu gehen.
Da wir jetzt wieder genügend Wasservorräte haben, bleiben wir vier Tage. Und richtig tolle sternenklare Nächte, die ich nur aus dem Mückennetzfenster des Klappdaches sehe, da wir mit der Sonne ins Bett gehen, denn schlagartig wird es dann kalt und mückig. Astros ist ähnlich wie Pylos ein malerisches Hafenstädtchen und bisher weit entfernt vom Touristenboom. Ideal um sich mit Eis und Mückenabwehrmitteln einzudecken. Um nicht nochmal völlig entkräftet Wasser zu schleppen, müssen wir richtig gut mit unseren 70l Brauchwasser haushalten. Spülen, kochen, Zähneputzen, Solarduschen, Gesicht waschen. Wir spüren am eigenen Leib, was es bedeuten würde, Wasser zu verschwenden, und die Kinder lernen schnell nicht einen Tropfen Wasser wegzuschütten. Tage später merke ich, wie schnell das jedoch wieder vergessen ist, sobald wir wieder einfachen Zugang zum Wasser haben.
Am Samstag ist es dann soweit. Wir müssen an unseren Plan denken, den Petit Pied zu verschiffen, uns flugbereit zu machen und die wenigen Taschen zu packen um eine Woche ohne unser Zuhause zu leben. Wir schaffen das Zusammenräumen unter zwei Stunden und brechen Richtung Athen auf. Mittagspause machen wir am beindruckend engen 80 Meter tiefen Kanal von Korinth. Ein paar Stunden später landen wir in Sounio auf einem schattigen Campingplatz, ideal um Wäsche zu waschen, uns zu waschen, den Toyo zu waschen, glückliche Kinder auf Spielplätzen zu wissen, Susannas Sehnsucht nach eigenem Kätzchen zu verstärken, hunderte Kätzchen vom Toyo fernzuhalten und uns einmal kurz vom Wind an den abendlichen Strand wehen zu lassen.
Morgen also! Ab morgen sollten geplante Schritte nicht zu sehr vom Plan abkommen, da schon der Plan an sich abenteuerlich genug ist. Nach rechts und und links ist ein wenig Luft aber die Grundschritte sollten bleiben…
Au revoir Petit Pied, see you in Israel!
Das Abenteuer geht weiter! Viel Spass mit der nächsten Etappe!
Liebe Ela, da sagst du was! 🙂 LG Miri
wunderschön… und genießt jeder Sekunde
Gruß Jürgen
Auch die Sekunden, die die Kinder müde, hungrig und streitsüchtig lauthals den vollen Zug durch Israel unterhalten?!? 😉
Auf geht’s in Heilige Land. Viel Spass!
Danke! Ganz schön aufregend… morgen Memorial Day, dann 70. Independence Day…
Da kann man neidisch werden (außer beim Mückenüberfall). Meer Sonne und keine Touristen außer euch. Ich wünsche euch weiterhin eine schöne spannende und informative Reise im gelobten Land. Bussis für alle Oma Moni und Sally