Bloß wieder weg – in die Eifel!

Ich stehe betrübt im Chaos unseres neuen Wohnzimmers und murmel: „Irgendwie fühlt sich das Leben zu gewöhnlich an.“ Ich kenne, glaube ich, nur Einen, der in diesem Moment zustimmend nickt. Und den habe ich geheiratet. Unter anderem aus diesem Grund, dass er jetzt grinsend dasteht und wir sofort nach einer Lösung für mehr verrücktes Lebensgefühl suchen. Wohnen wir doch erst seit drei Monaten in unserem bunten Häuschen, haben davor zweieinhalb Jahre in einem alten Fachwerkhäuschen gewohnt, dann zwei Jahre mit Reiseunterbrechung bei meiner Mama. Worauf wir sieben Monate in der von den Kindern heißgeliebte Piratenburg verbrachten, eine 30m² „große“ Ferienwohnung auf dem Campingplatz Krahwinkel, und ein weiteres Jahr in der Bäckerwohnung, eine doppelt so „große“ Ferienwohnung über der traditionellen, weltbesten Dorfbäckerei Funken.

Es gibt Menschen, die besorgt sind um unsere armen Kinder, denen doch so etwas wie ein richtiges Zuhause, eine Heimat fehlt. Irgendwie ist es halt anders bei uns und irgendwie nicht schlechter. Heimat ist für sie da, wo die Familie ist. Verwurzelt nicht in einen Ort, sondern in zwischenmenschliche Beziehungen. Wir durften Anfang September für ein Wochenende in einem alten, kleinen Wanderwagen wohnen und Maja fragte, ob wir jetzt hier wohnen und wer denn nun im roten Haus wohnt. Die Frage kam ohne Panik, voller Akzeptanz für die neu Umgebung von 8m² und ohne Vermissen ihres neuen Zimmers. Voller Vertrauen in uns.

Zweieinhalb Jahre galt unsere freie Zeit dem Bau des kleinen Schwedenhäuschens. Zweieinhalb Jahre hatten wir ein anstrengendes, zeitintensives Leben voller Verzicht, körperlicher Arbeit, familiären Herausforderungen und voller Ungewöhnlichkeiten. Nein, wir würden es nicht nochmal so machen und ja, wir haben viel davon gelernt, sind daran gewachsen, zusammen gewachsen und zusammengewachsen. Für deutsche Verhälnisse wohnen wir nun einigermaßen naturnah, ruhig und bürgerlich. Auweia und da läuten die Alarmglocken! Bürgerlich? Wir? Solide, angepasst und zivil? Oh Schreck, wir haben tatsächlich ein Eigenheim! Damit wir nicht eines Tages das Gefühl bekommen, dass dieses große Besitztum uns besitzt, haben wir es klein gehalten, fast alles selber gemacht und auch noch ökologisch gebaut.

Selbst drei Monate nach Einzug steht immer noch in jeder Ecke Baumaterial, wir duschen in der Badewanne, draußen ist ein furchtbares, wildes Durcheinander und alle schlafen wir noch auf Matratzen in Susannas Kinderzimmer. Klar! „Gewöhnlich“ ist das alles bestimmt nicht. Uns fehlt aber die Essenz unseres Lebensstils, die uns die Lebendigkeit des Lebens spüren lässt. Oh Gott, wie philosofisch! Mit anderen Worten: jetzt aber mal wieder raus! Raus aus Alltag, Bequemlichkeit, Komfortzone und Drinnen! Rein in Draußen, Abenteuer und Zeit.

Zeit. Das so kostbare Gut, das wir ans Haus vergeben hatten, gewinnen wir langsam zurück. Zeit für uns Vier als Familie und uns Fünf als Reisefamilie. Nummer Fünf: unser Toyota Landcruiser. Nachdem sich Matthias zwei Wochen seines Urlaubes nochmal verausgabt und unser Buschtaxi zu einem bewohnbaren Expeditionsfahrzeug wird, bleibt uns noch ein Woche zum „Reisen“. Nach so langer Reiseauszeit fangen wir erstmal wieder klein an. Leider ist die Sitzbank noch nicht durch den TÜV und ich fahre mit den Kindern im Volvo hinterher, weswegen die Reise sich nur bis in die Vulkaneifel ausdehnt. In der habe ich gefühltermaßen meine halbe Kindheit und Jugend verbracht und entdecke nun die wilde Schönheit des Eifeler Herbstes wieder. Selbst mein bayerisch-kanadischer Ehemann ist beeindruckt. Auch vom typischen Eifelwetter: Ständig unbeständig.

In Maja hat sich schon immer irgendetwas verändert sobald sie auf Reisen ist. Oder wir einfach nur campen gehen. Diese Veränderung ändert sich auch in der Eifel nicht. Maja und Draußen ist eine wunderbare Symbiose. In Räumen insbesondere im Kindergarten fühlt sie sich, wie sie schon mit fünf Jahren beschreibt, so unfrei. Sie mag nicht alleine in Räumen sein, keine geschlossene Türen und Zäune. „Kinder sind doch keine Tiere! Wir brauchen keine Zäune!“

Susanna ist grundsätzlich ausgeglichener als ihre große Schwester und liebt das Draußen sein genauso wie ihr neues, eigenes Zimmer. Während Maja sich schon bis in die große weit-weg Welt des Spielplatzes wagt, bleibt Sanna lieber in unserer Nähe und galoppiert strahlend mit dem Stockpferdchen um den Toyo. Sie ist ein großer Tierfreund und die Liebe macht auch vor Käfern und Regenwürmer nicht halt für die dann ein neues Zuhause gebaut wird.

Sobald wir draußen leben, passiert mit unserer ganzen Familie was Schönes. Braucht zwar manchmal ein paar Tage und Streiten können wir trotz dem Schönen, jedoch sind wir wieder als eine Vierereinheit unterwegs. Gemeinsam müssen wir die Unbequemlichkeiten von Enge, Kälte, Nässe, Minimalismus, Portapotti, und Toyohalt („Haushalt“ wäre jetzt unangebracht) organisieren. Die Kinder haben echt Spaß daran abzuspülen. Und ich beim Zusehen, auch wenn es lang dauern kann und es nass wird, während es sowiso schon überall nass um uns ist und das Geschirr am Ende nicht immer ganz sauber wird.

Nach wenigen Tagen spüren wir wieder, wie sich Erholung anfühlen kann, und das ganz ohne Wellness, Spa und Strand (was ich jetzt auch nicht boykottieren würde). Gemeinsam einkaufen, gemeinsam am Lagerfeuer sitzen, gemeinsam Stockbrot essen, gemeinsam eine Ritterburg erklimmen, gemeinsam die Teufelsschlucht bezwingen, gemeinsam Sommerrodeln, gemeinsam wilde Tiere beobachten, gemeinsam ein Maar umwandern, gemeinsam frühstücken, Mittag essen, Abend essen, gemeinsam träumen. Mit jedem Wetter leben, sich nach der Sonne richten, Handy ausmachen, keine Spiegel haben, sich freuen, wenn es einfach nur nieselt statt regnet, mit Freunden Teppichrennen rutschen oder ein Toyotamarkisenlager bauen, warmen Kakao mit kalten Fingern trinken, kanadische Pancakes verschlingen, Kinder mal ans Steuer lassen, extremes Seele-Hängemattenbaumeln, große und kleine Fahrzeuge aus und in den Matsch ziehen, frische Morgen- Vormittag-, Mittag-, Nachmittag- Abend- und Nachtluft atmen. Oh was hatten wir das alles lange nicht mehr!

Schnell tüfteln wir an weiteren Plänen, damit genau das hier wieder unser Leben ausmacht. Da sind wir wieder! Beim ersten Schritt jeder Reise. Beim Planen unserer nächsten langen Reise in der Hoffnung, dass wir nächstes Jahr nochmal drei Monate lang wegfahren können, noch bevor Maja in die Schule kommt. Wir möchten unseren Kindern zeigen, dass die Welt toll ist, abenteuerlich, lebendig. Dass es nicht Arbeit, Schule oder Kindergarten sind, die den Tag und das Leben ausfüllen. Maja überlegte letztens, dass Kindergarten ja auch Arbeit sei, obwohl wir einen echt schönen Kindergarten haben. Kinderarbeit eben. Auweia, lache ich. Zeit, mal wieder anders zu leben. Um dann wieder zurück zu kehren und den Alltag zu lieben.

Wohin wird die Reise gehen? Namibia, Mongolei, Kanada? Oder doch eher Island, Skandinavien, Russland, Alpendurchquerung, Marokko? Eigentlich egal wohin, wenn schon die Eifel uns so glücklich machen kann. Hauptsache weg, Hauptsache weiter, Hauptsache draußen, Hauptsache unterwegs, Hauptsache gemeinsam.

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Unser Landcruiser

Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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