17) Wassertalbahnfahrt

Wenn man es genau nimmt war das heute unser letzter Urlaubstag. Morgen geht’s dann in großen Etappen innerhalb von zwei Tagen nach Hause. Doch heute erwartete uns zunächst nochmal ein richtig schöner, entspannter Tag im Wassertal und in unserer liebevolle eingerichteten deutsch-ungarischen Pension, wo sich tatsächlich dann mal eine Dusche ohne Überschwemmung befand und, wo uns ein leckeres, kleines Frühstücksbuffet erwartete in einem sonnigen, lichthellen Frühstücksraum.
Nach dem frühen Frühstück ackerte sich unser treuer Wagen über die Schlaglöcher und den Schotter zur Wassertalbahn, die letzte Waldbahn Europas, also eine Dampflok betriebene Werkbahn, die das Holz aus dem Wassertal ins Dorf befördert. Eigentlich in privater Holzbau-Hand, erlaubt sie auch Touristen mit durch das Naturtal zu transportieren, in offenen kleinen Anhängern. Wir waren extra früh dran, hatten ja schließlich aus unserer Deltaschiffsfahrt gelernt, doch waren wir nur ein kleines Grüppchen von Bukarestern, Franzosen, Sachsen und anderen  Familien, die somit viel Platz in den Waggons hatten. Schon auf dem Parkplatz erwartete uns eine zischende, rauchende Dampflok, die die aufgehende Sonne über den Bergen in kräftige Dampfschwaden einhüllte. Matthias verschwand mit seinen zwei Kameras und ward für die nächsten 20 Minuten nicht mehr gesehen. Eng aneinander gekuschelt auf den Waggonbänkchen des Open-Air-Abteils sitzend zog uns dann die schwarze alte Lok aus dem kleinen Bahnhof und führte uns gemächlich und laut pfeifend, ratternd und zischend die nächste Stunde durch den von Bauern und Holzarbeitern bewohnten schmalen Flusstal. Rechts und links stiegen die bewaldeten Berge hoch und auf der gesamten ersten Strecke sah man die Holzarbeiter bei ihrem Werkeln. „Eng aneinander gekuschelt“ hielt nicht lang an, denn Matthias flitzte mit seiner Kamera mal von der einen Seite auf die andere, mal setzte er sich kurz, um dann wieder aufzuspringen, sich weit aus dem Waggon zu lehnen. Wäre mir auch so gegangen, denn die Fahrt war wie im Freilichtmuseum oder erinnerte mich an die Silbermine im Phantasialand. Gemütlich saß man in kleinen Waggons während vor der Nase das übliche Landleben vor hundert Jahren demonstriert wird. Mit dem Unterschied, das hier war echt! Echte Menschen, in echten Pferdefuhrwerken mit echten alten Werkzeugen bei echter alter Landarbeit auf Feld, Wiese, Wald, Fluß. Wenn wir mit unserer Bahn vorbeischlichen, dann hielten viele Menschen inne und winkten uns zu, Kinder spielten auf den sandigen Straßen, Frauen hingen die Wäsche auf oder hackten im Garten und Männer plauderten bei der schweren Holzarbeit. Erstaunlich was die Leute hier alle noch per Hand machen. Eigentlich alles und sie haben ungeahnte Kräfte mit denen sie ganze Holzstämme alleine tragen, sogar ältere Frauen packen ordentlich mit an. Natürlich wurde hier auch wieder das professionelle Banksitzen betrieben und Matthias schoss ein erfolgreiches Foto nach dem anderen, nachdem ich mich den gesamten Urlaub über geübt hatte in Pferdefuhrwerke, Landarbeiter und Banksitzer heimlich aus dem fahrenden Auto heraus zuknippsen. Aber auch vom zusehen wurde man nicht müde und uns faszinierte diese natürliche Lebensart, die man hier in ganz Maramures (der nördlichste und ursprünglichste Teil Rumäniens) beobachten kann. Sie scheint die Menschen auf einfache Weise glücklich zu machen und zu einem ganz anderen Wohlstand zu bringen als in den anderen Teilen des Landes. Die Häuser sind nicht modern aber gepflegt, die Höfe alles Nutzgärten, jedoch mit viel Blumen und blühenden Obstbäumen versehen, und ein Paradies für Hühner, Hunde, Katzen, Ziegen, Schafe, Kühe und Pferde. Das Land scheint sich mit dem zu genügen was es abwirft und mehr möchte man auch nicht. Naja, wahrscheinlich leben hier auch nur Menscehn und meistens möchte man doch immer mehr als man hat, und ich hab gut reden mit unserem wohlständigen Lebensstandart. Mir ist schon klar, dass dieses Land eine hohe Armut hat. Ist dennoch zu hoffen, dass es auch in Zukunft so natürlich hier bleiben wird und nicht von Konsum, Statussymbolen und unbrauchbarer Technik eingeholt wird. Wir sind auf jeden Fall sehr froh Land und Leute noch so erlebt zu haben, denn wer weiß wie lange es noch solche vom Modernismus unberührten Gegenden und Menschen noch gibt.
Trotz der Sonne, die zwischendurch uns auf dieser Reise durch eine andere Zeit begleitete hüllte ich mich in unsere Jacken ein. Der zweite Teil der Hinfahrt zog sich dann am Flusslauf entlang durch wilde Natur. Nach weiteren zwei Stunden konnten wir für eine Stunde Rast machen. Im Niemandsland wurden kleine Getränke und Würstchen mit Krautsalat vom einzigen Rumänen mit Humor ausgepackt. Ach ne! Unser Koch war ja Nummer Eins. Und gerne kauften wir dem jungen Fahrkartenkontrolleur und Touriguide ein paar Leckerbissen ab. Wir spazierten die Gleise noch ein wenig ab, ließen eine Arbeitslok passieren, übten uns im Vermeiden von Toilettenhausbenutzung und beobachten das spannende Spiel des Umrangierens von Lok, Brems-und Holzwaggon und unseren Abteilen. Die Fahrt zurück ließen wir uns wieder Wind und Dampf um die Ohren wehen, der ständige Kohlengeruch und die kleinen Ascheflecken auf unserer Kleidung versetzte uns wieder in eine Zeit von damals zurück und fasziniert beobachteten wir wieder Mensch, Tier und Natur.
Am frühen Nachmittag fanden wir wieder in unsere Pension zurück und waren so froh, kein Auto mehr fahren zu müssen. Nach einem kleinen Nickerchen besuchten wir den Angeber-Pfau, der natürlich genau jetzt keinen Lust hatte, sein Federkleid zu zeigen und nur gelangweilt in der Erde pickte. Stundenlang konnten wir noch auf einem Hügel auf der Bank sitzen und lesen oder dösen bevor wir uns zum Forellen-Abendessen begaben, einen Verdauungsspaziergang machten und ins Bett fielen.

Zur Zeit keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Folgt uns! Hier findet ihr noch mehr Bilder, Abenteuer und Gedanken von uns:

Facebook: https://www.facebook.com/itchyfeetwithkids/

Instagram: itchyfeetwithkids

Unser Landcruiser

Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

Und das schreibt ihr!