Letzten Samstag sind wir also schnurstracks in die Pyrenäen geflüchtet. Da unser Navi-Display aussieht wie unsere erste Windschutzscheibe, funktioniert nur noch das Alternativprogramm. Wir erfahren Uhrzeit, Fahrtrichtung, Höhe und kmH sowie die aktuelle Position. Also müssen wir uns ganz oldfashioned anhand von Landkarten unseren Weg suchen. Bisher haben wir auch noch keinen Spanienreiseführer gefunden, da wir ja uns auf Marokko konzentriert haben. Somit muss auch hier die Landkarte sowie das Bauchgefühl weiterhelfen. So landeten wir am ersten Abend nach schon 160km in einem kleinen Dörfchen, das hier wie allen anderen an den Hängen der Berge klebt und wir einen sternenklare, lautlose Nacht auf einem verwinkelten Campinplatz verbrachten. Endlich mal normale Leute! Keiner der Tag und Nacht seine Planen fegt, das Wohnwagendach putzt, das Vorzelt aufräumt oder die Blumenkübel pflegt. Dennoch fahren wir am nächsten Tag weiter, haben die einmalige Idee eine mittelalterliche Burg bei Villefranche de Irgendwas zu besuchen. Diese Idee hatte dann halb Frankreich und zur Burg kam man auch nicht. Aber der Chokolatier war gut.
Kaum eine halbe Stunde spatter hatten uns die Pyrenäen verschluckt. Mit 30kmH kletterte unser Bus die engen Bergstraßen hoch und wir stellten zum wiederholten Mal fest, dass Franzosen den ersten Platz auf der Welt belegen im hirnverbrannten Idiotenautofahren. Wir kletterten bis auf knapp 1700m und landeten auf einem verlassenen Campingplatz bei Mont Louis knapp unterhalb von Andorra an einem Flüsschen, wo uns mächtige Kiefern Schatten spenden. Maja kann es gar nicht abwarten die Welt zu erkunden, und sammelt nun Kiefernzäpfchen in ihrem Laufwagen. Sie hat mittlerweile vergessen, daß sie krabbeln kann, und möchte nur noch laufen, und das am Liebsten an unserer Hand, welche sie liebevoll und bestimmt einfordert. Auch wir können es nicht mehr abwarten und begeben uns auf eine kleine Wanderung durch die einsamen Wälder mit freilaufenden Pferden und grandioser Aussicht. Jetzt hat Maja also ein weiteres Hobby: die Wandertrage.
Die kam auch heute wieder zum Einsatz, als wir ”nur kurz” die Neun-Seenwanderung machen wollten. Aus kurz wurden etwa fünf Stunden in denen Maja uns Romane erzählte, die Welt beobachtete, anderer Wanderer begrüßte, ein langes Schläfchen hielt um dann quietschfidel jeden Baum und jeden Felsen zustreicheln (wir waren gerade beim Abstieg und mussten uns an ebendiesen festhalten, von hinten kam dann jedesmal ein fröhliches “Ei-ei!”). Der Tag war wirklich toll heute und wir stellen zum millionsten Mal fest, daß uns die Bergwelt viel glücklicher macht als der Strand. Matthias und ich fühlen uns ein wenig nach Patagonien versetzt, denn die Pyrenäen sehen aus wie die Anden. Sie riechen nach Kiefernnadeln und Sonne und ein leichter Wind lässt die Temperaturen nicht über 30 Grad klettern. Und abends fallen sie sehr tief (ach dafür haben wir die dicken Jacken mitgenommen!), doch unsere neuen Schlafsäcke sowie ein gut isolierter Bus halten uns warm. Wir kletterten tagsüber dafür auf etwa 2400 Meter, wanderten durch steppenartige Wiesen, bewunderten die neun dunkelblauen Bergseen, hatten stundenlang eine wunderschöne Aussicht, stellten fest, dass unsere Kondition hundmiserabel ist, verlaufen uns nein wenig, picknickten am Rande der Seen, kletterten wie Bergziegen die felsenartigen Wege hoch und kamen endlich wieder auf unser Tagespensum an tausenden von Fotos.
Doch natürlich läuft nicht alles glatt… Ich stoße mir morgens wie immer den Kopf (entweder richte ich mich im Bus an der falschen Stelle auf oder richte mich auf und das Dach ist aber unten), Matthias fährt beim Anfahren den Bus gegen einen zu großen Stein (unsere erste kleine Beule!), Matthias dreht seine Kopf beim Wandern gegen einen Ast, knapp am Auge vorbei und das große Highlight am Ende: Maja springt mir vom Schoß mit dem Kopf in den Kies und trägt nun ihr erstes Pflaster und wir einen Riesenschrecken. Es sah schlimmer aus als es war, die Schramme ist mini, es hat schnell aufgehört zu bluten und es dauerte keine Minute, da war Maja wieder am rumzeigen, wo sie alles hinmöchte (Da! Da! Da!). Mit blutverklebter Stirn mampfte sie dann unseren Blaubeerkuchen, den wir fälschlicherweise mit einer Quiche verwechselten und vier Stücke Tarte Sowiso bestellten. Maja sah dann wirklich aus wie ein Survivor und lief mir den Rang ab, denn ich hatte, den Mückenüberfall am Meer sichtbar überlebt.
Ach wir lieben die Berge und wissen nun eigentlich nicht wirklich wohin wir weiterziehen sollen. Die Pyrenäen sind wirklich wunderschön, ganz anders als die Alpen, andere Farben, Geräusche und Gerüche und wir könnten einfach weiterwandern, auch Nordspanien weiß ich, ist sehr schön und Santiago de Compostella wär ja interessant zu erreichen. Wir spüren wie sehr wir uns auf das marokkanische Abenteuer gefreut haben und wie tief der Stachel wirklich sitzt. Ja, auch der Rest Spaniens ist bestimmt toll, aber uns fehlt, das Eintauchen in eine andere Welt, das Erleben einer anderen Kultur, sich selbst erfahren in einem neuen Land mit all dem Unbekannten um sich herum. Was soll ich sagen, wir können das nicht so einfach auf uns sitzen lassen! Wir ziehen weiter… mal wieder Richtung Marokko.
Von Gibraltar aus kann man zumindest Marokko sehen und wer weiß, vielleicht ergibt sich auch ein Tagestripp. Wir haben eine Enttäuschung gut überwunden, wenn wir es jetzt nicht bis nach Gibraltar schaffen, dann überleben wir das auch. Da wir aber sowiso nicht wissen welche Richtung, nehmen wir einfach die Richtung Süden. Noch konnten wir nicht nachschauen, wo wir da eigentlich lang müssen und wie weit es wirklich weg ist und ohne Reiseführer haben wir keine Ahnung was uns erwartet.Gebirge? Wüste? Einöde? Wilde Flüsse? Langweilige Felder? Sandstrand? Ohne Navi verfahren wir uns eh und ohne Uhr wissen wir gar nicht mehr wann. Mein Handy hat sich irgendwo zwischen die Sitze verabschiedet und wir würden uns sehr gerne im Wildcampen ausprobieren also ohne Strom, ohne andere Camper, ohne Luxus. Einfach ganz pur nur Miri, Matthias, Maja, Bus und Mutter Natur.
Wir werden sehen…
Jetzt werd ich erstmal sehen, wie ich unbemerkt in meine zehn Zentimeter Schlafspalte rutsche ohne die Zwei aufzuwecken.