6.-9.10. Santiago de Chile Sechs Millionen Menschen, also ein Viertel (!) der chilenischen Bevoelkerung, in einem Haeuser- bzw. Hochhausmeer, dass sich bis zum Horizont ergiesst, unsaeumt von Bergen, oben blauer Himmel unten grauer Asphalt mit Millionen von gefaehrlichen Autos und Bussen auf u.a. 5spurigen Strassen. Also 10 insgesamt und wenn man sich beeilt kann man in einer Ampelphase tatsaechlich alle ueberqueren, auf der Insel zu stehen ist naemlich ausserst abenteurlich. Keine halbe Stunde Autofahrt entfernt stoesst man mit der Nase gegen die Anden, und wenn man auf einen der gruenen Huegel inmitten der Gr0ssstadt steigt und kann man die Berge fast beruehren. Dummerweise zum Teil nicht sehen, denn tagsueber vernebelt eine gelbliche Smogwolke den Blick und meine Sinne. Die Folgen sind Kopfschmerzen, traenende Augen, kratzender Hals und Nasenbluten. Bei fast 30 Grad sind die 4 Tage also nicht nur ein amuesantes Zuckerschlecken, sondern auch eine Herausforderung fuer Koerper und Geist.
Soll ich diese Stadt lieben oder hassen? Dazwischen gibts irgendwie nichts. Nachts ist es noch eisig kat und ich schlafe hier mit 4 Filzdecken und Socken in einer altertuemlichen, einfachen Residencia mitten im gemuetlichen, altenglischen Viertel vom Centrum. Mit Kopfsteinpflaster unter den Fuessen, alten gepflegten Haeusern habe ich ein wunderschoenes Viertel getroffen, dass nur einen Steinwurf vom hektischen, lauten Leben der City entfernt ist. Da hatte ich mich also gerade an die brasilianische Langsamkeit, Ausgelassenheit und Offenheit gewoehnt, wurde ich schon im Flughafen mit Dynamik, Schnelligkeit und Geschaeftigkeit konfrontiert. Wow, ich wusste spaetestens nach einer Stunde nicht mehr welcher Sprache ich eigentlich maechtig bin und war froh meinen Pass bei mir zu haben, damit ich noch weiss wie ich heisse. Mittlerweile laeuft mein Superhirn wieder auf Hochtouren nachdem ich es auf chilenisches Tempo aufgepimpt habe. Nur sprachlich ist es noch verwirrt und weiss manchmal nicht ob es spanisch, portugiesisch, englisch, franzoesisch (nicht sehr hilfreich hier) oder deutsch umschalten soll und so entsteht ein amuesantes Miri-Kauderwelsch. Die Chilenen sind ausserst gemein im Spanischen. Sie reden so rasant, das man kaum noch Vokale hoert und ich innerlich am Jubeln bin sobald ich erkannt habe, wo ein Wort anfaengt und aufhoert. Das S gehoert hier zu den ueberfluessigen Buchstaben, das rollende R tut dafuer umso wichtiger, und manchmal benutzen sie auch noch indianische Ausdruecke anstatt die die ich gelernt habe. Aber, et kuett, und wat muss dat muss.
Trotz der Hitze laufen hier alle in langen Hosen und aeusserst schick gekleidet rum. Auch hier bevorzuge ich eindeutig die brasilianische Bekleidungsmethode “weniger ist mehr”. Als wichtigstes Kleidungstueck gilt das Handy und oft auch ein dazugehoeriges Laptop, denn hier kann man anscheinend ueberall ins Netz, die Internetverbindung hier im Cafe ist allerding eine einzige Katastrophe. Ich muss an den Vortrag von Carol Davies auf der Konferenz denken, wo es um die uns umgebenden Energien ging und wie ungesund unser Elektrosmog ist. Puh, bin ich froh hier morgen rauszukommen.
Dennoch hat diese Stadt etwas Faszinierendes. Moderne Bank- und Buerogebaeude wechseln sich mit guterhaltenen, historischen Haeusern ab. Die 6 Millionen schwarzhaarigen Menschen, weisshaeutig oder mit indianischen Gesichtszuegen, tummeln sich alle gleichzeitig um meine Fuesse, in der Metro, durch die Shopping Malls, auf der Plaza del Arma und sind einfach ueberall. Da ich also sowiso auffalle, hab ich einfach aufgegeben, so zu tun als waere ich ein Local und bewege mich als gefuehlte einzige Touristin mit meinem Rucksack, meinen Teva-Sandalen, Spaghetti-Top und der knipsenden Kamera in der Hand durch die ueberfuellten Plaetze und Strassen. Ich versuche die Chilenen davon zu ueberzeugen, dass wenn ich sie nicht verstehe, es nicht unbedingt sinnvoll ist den gleichen Satz im selben Tempo zu wiederholen. Doch die haben eine Engelsgeduld das 20mal zu machen und treten auf Teufel komm raus nicht auf die Bremse. Da ihr nichtvorhandenes Englisch noch unverstaendlicher ist, bleibt mir nichts anderes uebrig sie dann vielleicht beim 21 Mal zu verstehen. Die Leute hier sind uebrigens viel zu beschaeftigt, als dass die Info “blond” in ihrem Gehirnareal einen wichtigen Platz einnimmt und so werde ich hier auch selten angesprochen. Allerdings “blond” in Kombination mit “Stadplan” und ich koennt auch eine weisse Hilfeflagge schwingen. Sofort hab ich einen der hilfsbereiten Chilenen an der Backe, der die Karte an sich reist (und die ist extra auf Mini-Plan zusammengefaltet), mir ganz Santiago erklaert und mir sagt wo ich hin will. Nachdem 3. Mal hab ich die Karte also in meinen Rucksack evakuiert und hab mich prompt verlaufen. Aber lieber so, denn hier kann man nicht jedem ueber den Weg trauen und ich hab schon einige Male richtig Glueck gehabt, dass ich noch im Besitz meiner Tasche und meiner Kamera bin, da meine Sensoren diesbezueglich auf Hochtouren laufen. Doch die meisten hier sind aeusserst freundlich und helfen gerne weiter. Ich glaube tagsueber befindet sich niemand innerhalb einer Wohnung und so haengen in den Parks, auf den Huegeln und auf jedem gruenen Fleckchen Familien, Cliquen und Liebespaare uebereinander, untereinander und nebeneinander.
Nachdem ich gestern also durch mein Master-Plan keinen Plan zu benutzen mich verlaufen habe, kenne ich mich nun gut aus in Metro und Strassennamen, werde beruhigt ohne meine Rucksack dem aufkommenden Abgasen entfluechten und mich nach Jahren der Boykottierung in ein Museum begeben. Heute Abend uebernachte ich bei Patricia, die Polestar Trainerin mit erstaunlichem Pilates Studio, was schon ein Event fuer sein wird. Ich habe keinen Ueberblick mehr wieviel Kinder sie mit ihrem Mann zusammen hat, ich glaube 11. Die ganze Familie, und ich durfte schon einen Bruchteil, also etwa 20 beim Familienfest kennenlernen, ist unglaublich. Sehr offen, hilfsbereit, intelligent, sozial und oekologisch angagiert, erfolgreich, auf dem Boden geblieben, sportlich und und und. Familie Eing besitzt ein altenglisches Grundstueck und Patricias angesagtes Studio ist durchorganisiert mit 4 Pilates Raeumen, diverse Therapien und Cardio Training sowie insgesamt 140 (nein ich hab mich nicht verschrieben!) Unit Wall Gruppenstunden. Uebrigens werde ich mich somit heute auch einiger Sachen entledigen. Ihr Mann ist begeisterter Camper und nachdem er mir auf 2 Seiten einen Reiseplan erstellt hatte, riet er mir vom meinen Camping-Plaenen ab, da ich doch sehr einsam auf den meist abgelegenen Camping Plaetzen waere. Die Entscheidung fiel mir erstaunlich leicht, denn auch ich hatte schon darueber nachgedacht. Somit beginne ich morgen also meine Reise. ALLEINE. Samstag um 23h55 geht mein Reisebus Richtung Norden nach La Serena und von dort aus direkt weiter nach Vicuña ins Valle del Elqui. Doch vorher… Trommelwirbel… verbringe ich einen ganzen Tag in … Trommelwirbel… bzw. auf … und Tusch! Auf einem Snowboard in den Anden in Valle Nevada, einem grossen Skiresort, dass noch ein Wochenende laenger aufhat als alle anderen! Koennt ihr mein Grinsen sehen? 🙂