Kaum sind wir über der Grenze, sind wir tatsächlich in einem anderen Land. Ein Land in dem sich viel seltener ein Tourist verirrt als unsere bisherigen Ziele, dessen Sprache wir so gar nicht verstehen und uns versuchen mit einem Mix aus allen Sprachen, der wir mächtig sind durchzuschlagen, wir uns zu Zweit ziemlich kreative Handzeichensprachen ausdenken müssen, damit wir irgendwie verstanden werden, was meistens amüsant für beide Seiten wird. Ein Land, welches zunächst nur aussieht wie in der Eifel, aber sich schonmal verrät durch hunderte von verschrotteten, zerrosteten, ausgeschlachteten alten Autos liebevoll am Straßenrand ausgesetzt und nie wieder abgeholt oder einfach alles auf einen Haufen gestapelt und um erstmal abzuwraten, ob der nicht von alleine kleiner wird. Und das erste Land, wo sich T1 bis T3-ler nicht zuwinken, da die vielen T3 Fahrer hier sich gegenseitig äußerst uninteressant finden. Wir hoffen zumindest, dass auch hier sich niemand für unseren Bus interessiert, damit er noch da steht wo wir ihn absetzen. Wir waschen ihn extra nicht, denn der Saharastaub und Dreck sieht unter anderem aus wie kleine Roststellen. Wer will schon so ein Gefährt haben?! Ein Land, welches schon am ersten Tag uns spüren lässt welch grausame Kriegsvergangenheit es heimgesucht hat. Jedes Gebäude, wirklich Jedes, welches keinen neuen Putz bekommen hat, ist gesäumt von Schusslöchern.
Es dauert nicht lang und wir erreichen Mostar. Aus den umliegenden Hügeln steuern wir auf die Stadt herab und sehen vor uns ein Häusermeer aus Ostblockmix, Plattenbauten, liebevollen verputzeten bunten Häusschen und Neubauten. Irgendwo hier soll es eine Brücke geben, für die Mostar berühmt ist und ich wunder mich ein wenig über mich selbst, dass ich wegen ner ollen Brücke in diese Stadt möchte. Selbst die Fotos der Reiseführer zeigen nichts besonderes, aber ich bin mittlerweile überzeugt, dass Reiseführer-Autoren unterzeichnen müssen, nur schlechte, unaussaugekräftige Fotos zu benutzen. Unser Weg zum Campingplatz in Blagaj neben Mostar führt uns über eine Brücke und als wir nach links schauen erhaschen wir einen einzigartigen Blick auf die Stari Most und die Altstadt. „Wow! Ja, Wahnsinn! Uui da müssen wir hin!“ Innerhalb von Sekunden sind wir hellwach, schmieden Pläne für morgen und alle Müdigkeit ist verfolgen. Gotts ei Dank, denn auf dem Campinplatz begrüßt uns ein älterer Österreicher, indem er sich lässig durch das Fahrerfenster hängt udn hält Wort als er verspricht der Maja einen Traktor zu holen. Mir schwant schon was, und tatsächlich kommt da ein großer Traktor mit Pedalen an, für den die Maja noch etwas zu kurze Beine hat. Aber macht ja nichts, es gibt ja noch die Mama- und Papa-Antriebsmotoren! Und Susanna passt auch noch mit drauf! Vor dem Platz gibt’s einen Fusballrasen auf den ich die quietschenden Mädels steuere und auf dieser Fläche ist dann kein Halten mehr. Ich schieb die Mädels, Maja schiebt die Susanna, Maja schiebt die Mama, Mama und Susanna schieben die Maja, Maja schiebt den Traktor ohne Insassen hundert Mal im Kreise während hinter den Hügeln die Sonne in knallrosa untergeht. Und beide rasen krabbelnd, turnend oder laufend über den Rasen, weswegen ein Rasen ja auch Rasen heißt. Was so ne einfache große, flache, grüne Fläche für Bewegungspotential auslösen kann, ist schon erstaunlich! So fallen die Beiden müde in die Falle und als Matthias und ich noch draußen vor unserer Mückenkerze und marokkansicher Teelichtlampe sitzen, fängt doch tatsächlich an ein Muezzin zu singen! Ach ja! Hier gibt’s auch Moscheen, denn die Religionen teilen sich hier ein grob in etwa 40% Moslems und je 30% röm.- katholisch und orthodox. Ein kunterbunter Mix an Menschen und Kulturen, der so schön sein könnte, wenn es doch nur funktionieren würde! Trotz verschiedener Religionen glauben alle doch an das Gleiche. Gott, Liebe und Respekt gegenüber der Schöpfung. Und doch ist es so schwer den anderen zu akzeptieren. So schwer, dass Kriege Menschen und Schöpfung zerstören. Sehr traurig ist das, denn hier bekommt man trotz der Vergangenheit einen Vorgeschmack auf ein angenehmes, buntes, bereicherndes Zusammenleben.
Am nächsten Tag erkunden wir also den kleinen, alten Teil von Mostar. Es ist so heiß und schwühl, dass wir den Besuch bestimmt aufgegeben hätten, hätten wir nicht diese Brücke schon gesehen. Vor der Abfahrt schon sind wir schweißgebadet, da der Traktor natürlich unbedingt noch ausgeführt werden muss. Selbst die Luft lässt sich vor lauter Feuchtigkeit nicht richtig atmen und trotz Duschen kleben schon nach wenigen Minuten Haare, Hände und Haut. Auch den Kindern rinnen im Bus die Schweißperlen über’s Gesicht. Puh, das wird hart, denn ich darf die Susanna wieder auf dem Rücken tragen und sie durch Tuch und Kleidung und mittlerweile schon der dritte Hut vor der Sonne zu schützen. Die Stadt fasziniert uns. Die Häuser wechseln zwischen neuen, sauberen Bauten, Baustellen und zerschossenen Ruinen, die die grüne Natur sich seiner annimmt. Wir betreten nicht nur die hellgepflasterte Fußgängergasse, sondern auch: den Orient! Da überlege ich seit Tagen wie ich eigentlich unseren Blog umnennen möchte, da wir die orientalische Türkei nicht mehr schaffen. Da taucht ganz unverhofft ein anderer Orient auf und Matthais und ich grinsen uns an, können es gar nicht fassen, denn mit diesem Moment hier in Mostar haben wir es geschafft! Wir sind von Orient zu Orient gereist. Orientalische Musik tönt aus den Lädchen. Restaurants und Verkaufsstände preisen sich im orientalische Stil an, der Muezzin singt hier seinen arabischen Ruf ganz anders als wie in Marokko, viel melodischer und berührender und auch die Menschen sind wieder der tausendundeinen Nacht entsprungen. Und endlich komme ich hier zu meiner Aladdin-Lampe, wenn’s auch nur Touri-Zeug ist. Und irgendwie haben wir eine magnetische Anziehungskraft zu Teppichen und Lampen. Die bunten orientalischen Mosaiklampen haben es uns angetan. Aber nein! Wir sind froh gerade alle usnere Souvenirs losgeworden zu sein, da fangen wir nicht wieder damit an, auch wenn unser Häuschen neu bestückt werden muss.
Der Weg führt uns direkt auf die Brücke zu. Durch die Enge der gasse wird es auch eng zwischen uns Menschen udn wir hatten die grandiose Idee, den Kinderwagen mitzunehmen. Da wussten wir nicht, dass die Altstadt mit schönen, runden Pflastersteinen gepflastert ist und die Old Bridge oder Stari Most im steilen Winkel bergaus und im steilen Winkel bergab geht. Mit glatten Marmor gefliest und damit man die Brücke nicht mit einer Rutsche verwechselt sind quer kleine Marmorschrittbalken gelegt. Maja schafft es und benutzt diese Balken dann als Rutsche, Matthias versucht das fast unmögliche Unterfangen einen Kinderwagen über diese Stufen um die Leute zu rangieren und gleichzeitig Fotos zu machen. Oben auf der Pike angekommen, beschließen wir erstmal zurück zu einen der Restaurants zu gehen und mit Blick auf die Brücke Cevapcici zu essen. Gestärkt starten wir einen weiteren Versuch die Brücke rutschend, hangelnd und stolpernd zu bewältigen. Das Faszinierende an dieser Brücke ist vor allem der Fluß. In tiefen, schnellfliessenden Türkis schlängelt er sich weit unten an den Felsen vorbei auf denen die grau weiße Altstadt mit ihren alten Häusern erhalten geblieben ist. In dem Fluss schwimmen mutige Jungs oder klettern an den Felsen herum. Brückenspringer in Badehose versuchen Touristen dazuzubringen, sie zu bezahlen damit sie von der Brücke springen. Die Altstadt gefällt uns richtig gut. Kleine, alte, hellgraue Natursteinhäuser überall sieht man kleine schmale Minarette, aus den Türen tönt arabische Musik und es nicht zu überfüllt. Doch mit dem Kinderwagen auf Kopfsteinpflaster und bei der Hitze die schlafende Susanna tragen, halten wir nicht lange durch und kehren um. Auf der Brücke hat tatsächlich eine Gruppe den Brückenspringer bezahlt, der sich mit ein wenig Show-Getue da runterstürzt. Harter Job, der Arme, hat ihm auch kein bischen Spaß gemacht. Wir flüchten vor der Hitze in einen Lampenladen. Nur mal so um zu gucken und weil der Ventilator läuft. Während Maja sich vorm Spiegel wieder ihrer Schuhe entledigt, die wir heut schon ein paar Mal gesucht oder nachgetragen bekommen haben, und Grimassen schneidet, versuchen wir zu handeln und ein wenig aus dem Verkäufer rauszubekommen, ob er eine interessante Lebensgeschichte auf Lager hat. Schade, handeln tut man hier nicht und schon kümmert er sich intensiv anderer Kundschaft. Wir gehen irgendwann und schauen nochmal bei der der netten Frau vorbei und sind am Ende doch um eine große, bunte Lampe reicher. Dafür mal wieder um einen Hut ärmer, grr. Majas neues Hobby sich in aller Heimlichkeit ihrer Sachen zu entledigen (sie lief auch schon mit der Hose an den Füßen rum), wird anstrengend, auch wenn wir bisher immer alles wiederfinden. Wir sind ziemlich k.o. als wir den Bus erreichen, der stundenlang in der prallen Sonne stand. 45° Grad schwüle Hitze herrschen dadrin. Maja sagt irgendwann: „Oh! Die Maja weint!“ Ihr läuft der Schweiß in Perlen runter.
Für Susannas ersten Geburtstag morgen möchten wir unbedingt einen besseren Campinplatz haben mit Spielplatz, Schatten und Untergrund, um ihren neuen Laufwagen auszuprobieren. Laut ADAC Reiseführere soll’s den im 12 Kilometer entfernten Buna geben namens „Camping Relax“. Na wenn das mal nicht vielversprechend klingt! Unser Navi kennt den schonmal nicht, Adresse auch nicht und auch die Koordinaten bringen uns nur zu einer Schnellstraße am Fluss. Irgendwann biegen wir an einer Straße ab und landen bei „Aluminium Relax Buna“ vor verschlossenen Toren. Erst nach der zweiten Umkurvung taucht ein Mann auf und bestätigt, dass dies der Campingplatz ist. Wild romantisch liegt der verlassene Platz an dem wunderschönen Fluss. Die gesamte, frischgemähte Wiese mit den großen, schattenspendenden Bäumen haben wir für uns und natürlich parken wir direkt an der Kletterrutsche. Mir gefällt’s, auch wenn wir uns wundern, dass niemand sonst da ist, und der bemühte, angestellte Wärter kein Wort „ausländisch“ kann, dafür die bewährte Hand-, Fuß- und Stift-Sprache, er aber nicht wirklich viel Ahnung über den Platz zu haben scheint. Der Platz wirkt unglaublich gepflegt und mit Susanna auf dem Arm rennen wir ein paar Mal durch den Rasensprenger. Das tut gut! Maja entdeckt sofort die Rutsche für sich und auch Susanna kennt kein halten mehr. Na gut, ich werde von den Mücken zerfleischt, ist noch zu verkraften. Matthias ist seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem funktionierenden Stromkasten. Der Besitzer kommt und hilft. Fazit: Es gibt nur noch zwei oder drei funktionierende Kästen, und in nur einen der Kästen gibt es ausnahmsweise kein Hornissennest. Auch darum ist der Besitzer eben weggestürmt, ihn hat schon eine attackiert. Wir nehmen den einen Kasten, der immerhin auch ein Stück entfernt ist von den Biestern, dafür kaum Schatten hat. Matthias muss noch das Kabel zurückholen und ist ebenfalls plötzlich auf der Flucht. Puh, entkommen. Und die Tiere lassen uns danach auch in Ruhe, ich werd jedoch fuchsteufelswild als Maja ihre Grenzen austestet und unbedingt nochmal Gas geben muss Richtung Hornissen-Sperrzone. Ich bin unsicher, ob wir hier bleiben sollen, auch weil die Mücken wirklich tief zustechen, was allerdings schon fast nichts Neues mehr ist. Aber es ist zu spät um nach einen anderen Campinplatz zu suchen und als die Zwei endlich im Betti bei geöffneten Toren und Türen schlafen, es tiefe Nacht ist und ich wieder rausklettern muss, um Susannas Geschenke einzupacken,erwische ich doch einen wunderschönen Moment. Ein klarer Sternenhimmel, keine Mücken mehr, abgekühlte Temperaturen, der Muezzin singt und ich finde noch ein Päckchen eiskalten Kakao im Kühlschrank.
Kurz vor Sieben werden Susanna und ich von der prallen Sonne geweckt die direkt auf uns einstrahlt. Los geht’s mit unserem Geburtstagsmarathon! Und die Erste die Susanna anscheinend gratulieren wollte, ist eine Zecke. Gott sei Dank unsere Erste auch auf der Reise, ich hatte schon mit mehr gerechnet bei dem Outdoor-Konsum. Maja hilft mir Susannas Geburtstagstisch auf ihrer Spielkiste einzurichten, macht sich dann als erstes über den kleinen Apfelstrudel her, der als Geburtstagskuchen dient und dessen Kerze wir gar nicht erst anzünden können, da Susanna diese von allen Geschenken am Besten findet. Wir waren schlau und haben Maja auch ein kleines Auto als Vorab-Geburtstagsgeschenk eingepackt, was sie ein wenig über die tollen Geschenke für Susanna hinwegtröstet. Wir sind stolz auf sie, sie meistert das ziemlich gut, dass sie erst morgen dran ist. Susanna beim Geschenke auspacken zuzuschauen ist herrlich. Sie kennt schon Wörter ähnlich wie „uui!“ und „boah!“ und freut sich mit ganzem Körpereinsatz über ihre neue Holzeisenbahn und eine Stoffpuppe. Ich merke, wieviel Bedeutung ein einziges Spielzeug haben kann, wenn man nur wenig hat. Für Susanna hatten wir ja nur Babyspielzeug mitgenommen, dass sie zwar immer noch gerne rumsortiert, aber lieber mit Majas Sachen spielen möchte.
Der Laufwagen, auch wenn er nicht aus Holz ist und er sich nur schwer über Gras, Stock und Stein schieben lässt, ist heiß begehrt. Von beiden. So wird alles bald schon wieder zur Rutsche geschoben, wo es um neun Uhr morgens schon wieder viel zu heiß ist. Susanna ist ein ziemlich willensstarkes Wesen, die sich viel bei Maja abschaut und schnell lernt. So schafft sie es heute die Leiter der Rutsche mit ein wenig Unterstützung hochzuklettern, zur Rutsche zu krabbeln, sich richtig hinzusetzen und grinsend auf mein „1,2,3“ Kommando an meiner Hand loszurutschen. Leider müssen wir die Rutschaktionen zeimlich abrupt abbrechen als zwei Wespen sich mich und Majas annehmen und immer aggressiver auf mich zufliegen. Mit beiden Kindern unter dem Arm schleppe ich uns zum Bus, der irgendwie in einer insektenfreien Zone steht. Wir beeilen alles einzupacken, leider kann ich Susanna nicht frei rumkrabbeln lassen, da die Wiese voller Klee ist und Klee bedeutet Bienen.
Wir möchten jedoch keine Tränen an Geburtstagen und müssen uns was ausdenken. Es wird geduscht. Was normalerweise nur mit Protest geht, ist hier ein großes Highlight, da es zwei Draußen-Duschen auf der Wiese gibt. Zu Viert duschen wir unter dem kühlenden Wasserstrahl, Susanna flüchtet und hangelt sich den Zaun entlang, Maja planscht und wäscht sich ganz alleine und Matthias und ich fühlen uns wie neu geboren. Trotz der vielen Stechviecher ist der Ort was Besonderes gewesen. Wir erfahren vom Besitzer, dass dieser Platz mit seinen Ostblockbungalows und abenteurlichen Sanitäranlagen zu einer Aluminiumfabrik gehört und hier die Arbeiter wohnen dürfen, die sich auch etwas um den Platz kümmern. Camper gibt es selten, dabei liegt der so wunderschön am Fluss, im Dschungel bei einer Moschee. Dennoch sind wir froh endlich loszukommen und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich die Temperaturen Richtung Sarajevo etwas abkühlen. Zunächst geht die Fahrt ein weiteres Mal durch Mostar, durch einen Stadtteil, der mich nachdenklich stimmt, da links und rechts fast nur Ruinen und zerschossene, alte Häuser stehen. Danach tauchen wir ein in eine Fahrt durch grüne Täler, tiefbewaldete Berge, Felstürme, die wie Wolkenkratzer steil nach oben ragen, ein großer, träger, tiefblauer Fluss begleitet uns und schon nach ein paar Kilometern beginnt das himmlische Wetter: Regen, Regen, Regen. Juchuuh! Liebes Universum, danke. Morgen für Majas Geburtstag dann aber bitte nicht ganz so doll. Danke im Vorraus.