Hochs und Tiefs in Jordanien

Wenn man ganz oben ist, dann gibt’s eigentlich nur noch eine Richtung. Zumindest falls einem keine Flügel wachsen, dann geht’s bergab. Die Wadi Rum Wüste hat uns zwar sehr beflügelt, doch sind die Schwingen nicht stark genug uns vor dem tiefsten Tief der Reise zu bewahren. Sie tragen uns noch über ein Weltwunder hinweg. Doch dann, tschüß ins Abwärts…

Petra. Die alte Stadt der Nabatäer liegt uns zu Füßen. Schon auf dem Hinweg konnten wir durch die Nebelwolken die Schluchten und Klamms sehen die das Tal durchziehen. Hier heißen sie Siq und sie sind vielleicht 50 Meter tief und teilweise nur 2 Meter breit. Von der alten Felsenstadt kann man von oben nichts erkennen, dieser Anblick kostet uns viel Fußarbeit und 100,- Euro Eintritt, Kinder sind frei. Zunächst ist Petra jedoch geschlossen. Der Regen hat am Tag unsere Ankunft eingesetzt und es soll sogar noch hageln. Schon ein kleiner Regenguß kann die Siqs lebensgefährlich machen, und die Touristen des heutigen Tages wurden mit Geländewagen binnen kurzer Zeit aus Petra evakuiert. Bei solch gemütlichen Wetteraussichten entscheiden wir uns nicht im Hof eines Hotels zu campieren, sondern nehmen dort einfach ein Doppelzimmer mit Kingsize Bed. Ja! EIN Bett für VIER! Versuchen kann man es ja mal.

So können wir am nächsten Morgen ohne Stress in einen langen Tag in der alten Stadt starten. Damit wir unsere Kinder bei Laune halten, starten wir die lange Tour hoch zu Pferde. Leider darf man nicht mehr den ganzen Weg bis zur Schatzkammer reiten und so müssen die zwei nun zwei Kilometer durch den für uns völlig faszinierenden Siq. Manchmal kann man gar nicht mehr den Himmel zwischen den Felsen sehen, da sie in bizarren Formen sich beinahe berühren. Na und? Ist ja langweilig, laut Kinder. Gottseidank haben sich die Nabatäer gedacht, sie schlagen eine Rinne für das Abfließen des Wassers in den Fels oder für gelangweilte Kinder zum Balancieren, die 2000 Jahre später von ihren Eltern in ihre Ruinen gezerrt werden. Aber zwei Kilometer lang? Wir müssen uns ganz schön was ausdenken, damit wir weiterkommen. Wir versprechen ihnen eine Kutsche für den Weg zurück. Wow! Das verleiht tatsächlich Flügel. Zumindest für den kleinen Zeh und die Mundwinkel.

Die Schatzkammer von Petra ist wohl der beeindruckendste Augenblick der ganzen Tour. Erst im letzten Moment gibt der Siq den Blick frei. Kurz vorher erkennt man den riesengroßen Felsentempel nur durch den schmalen Spalt des Siqs. Und auch diesen Moment erlebt man erst in den letzten paar Metern. In einem Augenblick plaudern wir also noch mit unseren Kindern über Pferde, Kutschen, nein, eigenes Pony geht immer noch nicht, Katze vielleicht und Esel gehen auch nicht, da hören wir schon die Beduinenmusik. Wir sind ganz still und lugen um die Ecke und stehen direkt drin in den wohl meist fotograviertesten Spalt der Welt. Wir sind sogar fast alleine für diesen Gänsehaut-Moment, was sich ein paar Meter weiter schnell ändert. Gut, dass die Schatzkammer dessen vordere Säulenfassade beinahe komplett erhalten ist, sich über die Menschenmassen erhebt. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie Menschenhände sowas erschaffen können. Erinnere ich mich noch gut, wie lange ich damals im Kunstunterricht gebraucht habe um aus einem unförmigen Speckstein eine Muschel herauszumeißeln! Hier das ist eine ganze Stadt, die in den Felsen gelebt hat. Die Nabatinäer haben Höhlen dort hineingehauen und die Vorderfront teilweise monumentale Eingangsfassaden aus dem Fels geschlagen und geschliffen. Wir lassen den Trubel vor der Schatzkammer hinter uns und nach dem nächsten kurzen Pass öffnet sich immer mehr der Siq zu einem kleinen Tal. Es gibt Königsgräber, Märchenschloß, Theater und viele weitere erstaunliche Felsen. Die Wege sind für Kinderbeine echt lang. Das sehen auch die dutzenden Esel- und Kameltreiber und minütlich will man uns das Geld aus der Tasche ziehen, damit die Kleinen bis zum Kloster geritten werden. Susanna und Maja bleiben stark, wollen sie doch unbedingt mit der Kutsche zurück und das heißt jetzt laufen. Das Wetter meint es wirklich gut mit uns. Zwischendurch scheint die Sonne vorbei und der Wind fegt uns kühle Luft (und Sand) zu. Ich bin leider nicht so sehr archäologisch und geschichtlich begabt, dass ich an dieser Stelle so viel noch über dieses große Tal voller Höhlen und Felsenkunstwerk erzählen kann. Dafür müsste ich nochmal unseren Reiseführer befragen. In der Hinsicht ist mein Gedächtnis wie ein Sieb.

Unsere tapferen Mäuse halten uns ganz schön auf Trapp. Susanna vergisst ihre Cappy und ich ächze auf alten sandigen Nabatäernsteinen den ganzen Weg zurück, während mir die Händlerinnen ihr ständiges “Come and look!“ zuflüstern. Der Hunger führt uns zu einem teuren trockenen Fladenbrot mit trockenem Käse und trockenem Schinken. “More you need“ steht an der Sandwichbar. Nein, I need more. Sanna muss nun doch auf’s Klo, wie so oft genau dann, wenn man eben erst noch bei den Toiletten gewesen ist und die Kinder auf gar keinen Fall müssen und immer dann, wenn ich dabei bin den ersten Bissen vor meiner Nase zu haben. Normalerweise warten sie noch bis es warmes Essen gibt, so dass nach dem Klo mein Essen natürlich schön abgekühlt ist. Oder noch besser: Ich muss, der Rest nicht, doch dann muss doch noch Eine, die Andere aber nicht, doch die muss dann danach auch noch, aber bloß nie alle auf einmal und wenn doch dann natürlich jeder am wirklich dringendsten, während ich mir fast in die Hose mach.

Susanna meint dann noch an einem der ganz großen Säulenpaläste plötzlich ihr schwindelfrei auszuprobieren. Wir merken gar nicht, dass sie neben den Treppen entlang nach oben kraxelt. Erst als sie versucht wieder auf die Stufen zu kommen, hinter ihr fünf Meter Tiefe, bekommen wir ein Riesenschreck. Aber nein, sie will jetzt UNBEDINGT es allein da hoch auf die Stufen schaffen. Ich halte die Luft an, stelle mich schnell hinter sie und Matthias darf auf keinen Fall helfen. Trotzdem ist sie sauer und will jetzt sofort in die Kutsche. Wir können Beide noch überzeugen bis ganz nach unten zu der großen Ruine zu laufen, danach ist Ende. Wir kehren um, wimmeln weiter Esel, Kamele und uns ständig fotografierende Asiaten ab, die wirklich kein Problem damit haben Maja und Susanna die Linse vor die Nase zu donnern. Manchmal sind mehr Esel unterwegs als man meint…

An die sieben Kilometer sind unsere Wandermäuse gelaufen und fast alles ohne Maulen mit vielen Ideen wo man alles balancieren oder klettern kann.
Endlich stehen wir vor der Kutsche, die uns spät am Nachmittag noch über’s Ohr hauen will. Matthias war mir ein guter Lehrer auch ich kann handeln. Wäre ich doch besser zu Fuß gelaufen! Die Kutsche hat natürlich kein geländegängiges Fahrwerk. 15 Minuten lang, eine ganze Ewigkeit werden wir völlig durchgerüttelt. Die Mäuse finden es witzig. Als ich aussteige kann ich kaum noch gehen. Zuerst denke ich, meine Bandscheibe hat sich nun vollkommen weggerüttelt, aber es ist was anderes. Mein Körper verliert irgendwo Energie und das viel zu schnell. Der kurze Weg zum Toyo ist für mich ein Halbmarathon, boah eh, bin ich müde, ich fühle mich ganz schön alt und altere mit jeder Minute ein Jahr mehr. Die Fahrt zum Hotel ist eigentlich kurz, für mich sind’s zehn Jahre. Und langsam wird mir schlecht. Schwindelig. Völlig entkräftet. 60 Jahre, 70, 80,… Plumps. Gottseidank, unser Kingsizebed. Ruhe, liegen, 80, 70, 60. Na geht doch. Wir sind so k.o. wir campen wieder nicht, sondern genießen das Abendbuffet im Hotel.

Gerade im Zimmer angekommen beginnt die Talfahrt von neuem. Urplötzlich ist mir schlecht. Alles muss raus, Schlußverkauf im Magen! Es wird eine lange Nacht. Beinahe stündlich stolpere ich ins Bad, noch nicht mal Wassertropfen dürfen wieder in mich rein. Ich schwitze, ich friere. Ich will einfach nur schlafen. Matthias kümmert sich rührend um mich und auch Sanna und Maja sind tolle Krankenschwestern als es am nächsten Tag nicht besser werden will. Irgendwann stehen endlich Cola, Salzstangen und Kohletabletten bereit. Das Einzige was mir wirklich hilft. Egal wie zwiegespalten die Meinung über diese Therapie sind. Ich bin so dankbar über jeden Krümel, der drin bleibt und jeder eklige Electrolyteschluck, der runter geht. Dennoch verliere ich überall Wasser, wo es nur rausgehen kann. Wir bleiben zwei weitere Nächte bis ich wieder etwas Suppe, Joghurt und Brot bei mir behalten kann. Die Mädels können endlich mal die Vielfalt ihrer Spielzeugkiste entdecken. Natürlich toben sie ganz schön um mich herum, aber sie streiten wenig, lachen viel und es ist schön ihnen einfach dabei zuzuschauen. Matthias hält mich bei Laune und so macht er uns die Zeit erträglich, obwohl ich mich noch zusätzlich schlecht fühle, da ich nun die Reise sabotiere. Klar ist das Quatsch mit Soße! Allerdings fragen wir uns auch wie wir nun weiterreisen sollen. Campen ist in meinem Zustand zu anstrengend. Am letzten Abend, wo ich endlich was Suppe essen kann, sitzen wir endlich am Tisch. Maja und Sanna rangieren ihre Lasagneteller schon professionell durch die Menge. Die Kellner kennen sie schon und Matthias wird schon von weitem mit “Hello Gerrrmany“ begrüßt. Extra für uns wird schnell ein Tisch leer geräumt und alles herbeigebracht. Ich fühle mich wie ein Staatsgast mit meinem Süppchen. Susanna quatscht und von Maja höre ich keinen Piep… was? Sie sitzt stumm und starr vor ihrem vollen Teller. Oh, oh. Bauchweh. Sie will urplötzlich ins Zimmer und sie ist so schlappi, dass Matthias sie tragen muss. Auch bei Maja ist Schlußverkauf, alles muss raus. Kinder sind da aber einfach. Alles raus, fertig, hinlegen, noch mehr raus, fertig, weiterspielen, gesund.

Meine Kraft kommt allmählich mit dem Frühstück und da es mir besser geht, entscheiden wir uns eine Stunde weiterzufahren bis nach Dana. Dana ist ein ganzes Reservat. Dana Village klebt auf einem kleinen Plateau, ist ein Mini-Dörfli aus Sandstein und hat einen grandiosen Blick über das tiefe, weite Tal zu seinen Füßen. Wir ruckeln über die Pflastersteine bis zum Dana Tower Hotel. Ein kleines verwinkeltes Hotelchen, in dem uns ein Scheich in Empfang nimmt. Natürlich kein Scheich, sondern ein Beduine, die hier in Jordanien aber alle mich an einen arabischen Scheich erinnern. Der hier ganz besonders. Dank unserer Mäuse bekommen wir schnell ein wunderschönes Zimmer unten in den Gewölben, was mich an die Höhlen von Petra erinnert. Mir geht’s immer besser und Matthias braucht nun etwas Schlaf, da er von einer wurschteligen Maja mit starken Füßen in der letzten Nacht doch noch aus dem Kingsizebed regelrecht rausgetreten worden ist. Die Mädels und ich verziehen uns mit den Autos auf die Terasse oben. Kaum ist Matthias da, schlafe ich auf den Kissen ein. Puh, müde, schlapp… oh nein und schlecht.

Zum Sonnenuntergang schleppe ich mich nochmal auf die Felsen, doch danach ist es vorbei. Alles wieder raus, überall. Ich kann nicht mehr. Und das in Dana. Keine Infrastruktur, kein Arzt, keine Rezeption. Niemand. Ich will auch niemand sehen. Magen-Darm zuhause ist schon schlimm genug, aber auf Reisen ist es die Hölle. Ich will nach Hause. Ich friere, ich schwitze, ich spucke. Wir machen uns echt Sorgen. Wohin nur morgen, wenn’s nicht besser wird? Was wenn ich im Krankenhaus bleiben muss? Welches Krankenhaus und wie dahin? Wie kommt Matthias mit den Kindern zurück nach hause? Was wenn ihm jetzt auch noch schlecht wird? Also im Jetzt bleiben. Maja ist am weinen, da wir nur drei Betten haben und sie will zu uns, was zu eng ist. Mir wird schwindelig, wenn ich nur liege. Ich kann sie etwas trösten. Mit wackeligen Knien zurück ins Bett. Alles dreht sich, Matthias braucht auch Schlaf. Lieber Gott… Beten kann ja nicht schaden. Vor allem nicht so nah des gelobten Landes.

Am nächsten Morgen gibt’s mich immer noch und das sogar mit einem Lächeln. Ich klettere vorsichtig aus einem Tief heraus. Es geht besser vor allem als Matthias, die wohl einzigsten Salzstangen in 100 Kilometern Umkreis direkt im Minilädchen nebenan findet. Ganz in Ruhe und froh über jeden festen Schritt meiner Füße packen wir zusammen. Wir wollen Richtung Zivilisation nach Madaba und vor allem müssen wir weiter nach Norden, da wir in vier Tagen in Israel in Haifa sein müssen. Unerwarteterweise fahren wir durch eine Traumlandschaft auf der King’s Road. Steppenartige, weite Hügel, steile Felsen, Ziegenherden, Esel und sehr viel Panorama soweit das Auge reicht. So was macht gesund.

In Madaba haben wir uns das Pilgrims Hotel neben einer griechisch-orthodoxen Kirche herausgesucht, da man wunderbar im Innenhof campen könnte. Wir nehmen dennoch das preiswerte, perfekte Zimmer mit einem Kingsizebed UND zwei Betten, Bad, Balkon mit tollem Blick auf die Moschee. Ich falle einfach nur ins Bett und schwöre es nie wieder zu verlassen. Während Matthias am Toyo Suppe kocht, toben die Mädels sich mit dem Ball im Hof aus. Kochen wird zur Herausforderung, denn Matthias bekommt von allen Seiten und Nationen Zuspruch und Besuch. Die ganze Hotelmannschaft möchte den Petit Pied kennenlernen, von einem deutschen Pärchen werden wir mit Tropen-Notfallmedizin eingedeckt, heiße Landcruiser-Diskussionen mit Angestellten der deutschen Botschaft und der Fahrer des Hotels kann gar nicht abwarten, das Matthias das nächste mal kocht. Irgendwie tut es gut in einer religiösen Einrichtung zu wohnen. Es ist still, sauber, keine laute Musik, keiner der irgendwie meint sich daneben benehmen zu müssen. Matthias grübelt noch über die letzte Sorge, woher er jetzt was Brot für die Suppe bekommt. Die Friedenstäubchen flattern über unsere Köpfe, der Moritzin (wie Susanna ihn nennt 🙂 ) singt, die Kirchturmglocken läuten, der Pfarrer kommt um die Ecke, sieht Matthias “Do you need some bred?“ Bevor Matthias was entgegnen kann liegen drei warme runde Laibe frisch gebackenes Brot vor ihm und der Pfarrer zieht lächelnd davon.

Muttertag. Der Tag meiner wirklichen Wiederauferstehung. Dreimal schaffe ich Miniausflüge zu Fuß vor die Tür. Einmal um für die Mädels Schokolade zu kaufen, einmal die Straße hoch und runterlaufen, Geld loswerden zu erfahren, dass alle Händler irgendwie untereinander verbrüdert sind und alle deutsch sprechen, dem Weber zuschauen, spannende Geschichten über die arabische Welt und leider immer wieder Geschichten, die spüren lassen wieviel Feindseligkeit gegenüber dem Nachbarland in der Luft liegt.

Es ist so schwer diese ganze Problematik zwischen Israel und dem gewünschten Palästina. Das Schlimme ist, das keiner recht oder unrecht hat. Wir reisen hindurch und hören uns beide Seiten an und denken, ja der hat recht. Es zerreißt einen das Herz, wenn man all die Gastfreundschaftlichkeit, den Humor und die Sympathie erfährt, die von den Menschen beider Länder oder Religionen ausgeht. Nur sich gegenseitig feinden sie unverhohlen an. Ich denke immer, mensch, lernt euch doch mal kennen. Ihr würdet euch richtig gut verstehen. Hört doch mal auf mit diesen ganzen Hirngespinnsten im Kopf, die anderen da drüben, das sind auch nur Menschen, und die sind total nett. Aber nein, mit jedem Tag den wir hier sind wird es schlimmer. Wir fühlen uns zwar sicher, aber man spürt, dass auch Jordanien am wackeln ist. Es ist nicht so stabil, wie es sein möchte, die Unruhe und Unzufriedenheit wächst. Es ist so traurig, denn es kann nicht gut gehen. Nicht so. Es gibt keine wirkliche Lösung. Nicht solange Religion und Staat sich vermischen. Nicht solange in den Herzen so viel Hass und Angst steckt. Zum Haaresträuben ist das, so schade für diese eigentlich wunderbaren Menschen überall und die atemberaubende Kultur und Natur.

Obwohl die Natur bekommen beide noch locker kaputt. Ich habe seit unserem Parkplatz im wunderschönen Dana einen Müllgeruch in der Nase, da die Gasse dort wirklich ekelig roch nach Müll und Esel-Ziegen-Hühner-Pupu. Je weiter wir nach Norden fahren desto schlimmer sieht es aus. Das Plastik ist überall. Die Kamele grasen auf Steppen von Gras, Sand und Plastik. Familien picknicken zwischen Gras, Baum und Müll. Zäune sieht man kaum noch, da der Wind Plastikberge an sie herangestürmt hat und alles im Maschendraht hängenbleibt. Olivenbäume, die aus Müllwiesen emporwachsen. Kinder, die in Staub und Plastik spielen. Oh mann. Es geht echt bergab mit diesem Planeten. Ich starre gebannt aus dem Autofenster und muss hilflos zusehen, wie es auch hierfür keine echte Lösung geben kann. Ich wünsche mir so sehr eine andere Welt für meine Kinder und die Kinder da draussen…

Madaba ist irgendwie toll. Es ist vor allem eine laute, arabische Stadt. Unser Balkon geht direkt Richtung Moschee und so werden wir von seeehr früh morgens bis seeehr früh abends per seehr lautem Lautsprecher vom Moritzin begrüßt. Ich genieße diese Geräuschkulisse samt der jordanischen Hupunterhaltungen (Autofahrer unterhalten sich hier auf hupisch), der Autokorsos, der kurzen arabischen Musikstücke eines jeden Autos, der maiten Unterhaltungen auch ohne Hupe und des internationalen Geschwätzes der Straße. Alles schwappt auditiv zu mir ins Zimmer und ich find’s toll. “Ssu viel Rruhe machte Kopf kaputt!“ hat uns mal ein Rumäne zugeraunt. Den Satz werde ich nie vergessen. Zuhause in Much erwartet mich noch genug gemäßigtes Landleben. Quirliges, lautes Stadtleben ist jetzt genau richtig. “Aber nachts machen wir die Balkontür zu!“ Hmm na gut.

Madaba ist aber auch die Stadt des Mosaikkunstwerkes und auf der Hinfahrt lese ich über die berühmte 6×15 Meter große Mosaikkarte von Palästina. Ach, die schaffe ich eh nicht zu besichtigen in meinem Zustand. Lese ich doch mal, was das denn hier für eine Kirche ist, die hie neben uns steht. Es ist St. Georg und genau in dieser Kirche, die hier so fröhlich herumbimmelt, befindet sicj das Mosaik, weswegen man Madaba besucht. Gerade mal zehn Schritte, von der Hoteltür bis zu den Stufen und nochmal zehn bis zur Kirchentür. Ok nochmal zehn zurück, Ticket holen. Das schaffe ich gerade eben noch und unsere von englischsprachigen Händlergeschichten genervten Kinder auch. Von den Bänken aus hat man auch einen wunderbaren Blick auf das Mosaik, welches jetzt nicht so grandios wirkt, aber die Kirche auf uns eine wohltuende Ruhe ausstrahlt.

Wenigstens eine Nacht möchten wir in Jordanien campen. Bei Jerash soll es angeblich eine Möglichkeit geben westlich von der Stadt auf einem 900 Meter hohen Berg. Na das ist mal eine detaillierte Wegbeschreibung. Natürlich gibt es mehrere Straßen westlich und eine ewige Hügelkette um die 900 Meter. Wir lassen sie uns von der jordanischen Tourist Police heraussuchen und erreichen tatsächlich das traumhafte Anwesen des Olive Branch Resorts, wo wir für wenig Geld und tollen Frühstück einen Tag zwischen Olivenbäumen, Blumen, Ameisenstraßen, Pool, Spielplatz und weitem Panorama verbringen. Was Spielplätze doch alles retten können!

Jetzt sind wir doch langsam froh auch wieder aus Jordanien herauszukommen. Ein bisschen weniger auffallen, unsere Kinder ein bisschen weniger umarmt, gebusselt und fotografiert werden, ein bisschen weniger Euphorie über unser Auftauchen egal wo. Ein bisschen weniger Staub, ein bisschen weniger Müll, ein bisschen weniger Gehupe und Chaos auf den Straßen, und ganze besonders ganz viel weniger Schlaglöcher, superschlechte Fahrbahnen und keine Bumper! Denn die Jordanier mögen keine Raser ab 100km/h. Ich auch nicht. Und ich finde die Idee super, Geschwindigkeitshubbel auf Autobahnen anzubringen! Also fand ich am ersten und am zweiten Tag noch. Jetzt am zehnten Tag sehe ich ein, dass eine freie Fahrt mit 110km/h auch was für sich hat ohne jeden Kilometer schlagartig abzubremsen, da einer der unsichtbaren Bumper auftaucht.

Ja und dennoch, trotz des Tiefs und der Anstrengung, Jordanien hat sich in unser Herz gebrannt. Wadi Rum, Dana, Petra, Madaba, Kings Road, Mount Nebo, die ständigen Wüstenberge mit ihren Ziegenherden, Eseln und Dromedaren (ja ja, es sind keine Kamele), die Gastfreundschaft, den Humor der Beduinen, die kühle Brise, die alten Geschichten, die würdevollen Frauen, die Tücher, die bunten Laster, die wenigen Überbleibsel des Handwerks, die strahlenden Gesichter voller Sand und Staub, der Tee. Und zum Schluß doch noch ein Camping unter dem Sternenzelt. Und ein Spielplatz.

Shokran Jordan, you and your people are beautifull! Take care of you and them.

11 Kommentare

  1. Timo's Gravatar Timo
    17. Mai 2018    

    Ich will ja nicht das lexikon raushängen lassen, aber Dromedare sind Kamele. Sie gehören zusammen mit dem Trampeltier (zwei Höcker) der Gattung der Altweltkamele an. In der der Familie der Kamele gibt es noch die Gattung der Neuweltkamele. Dazu zählen übrigens Alpacas und Lamas. Die Kamale sind außerdem entfernt mit den Walen verwandt.

    Ich wünsche euch eine schöne Rückreise und keine Probleme mit dem Zoll.

    Guß Timo

    • Itchy Feet's Gravatar Itchy Feet
      18. Mai 2018    

      Hallo Timopedia! Wie gut, dass es dich gibt und wir mussten ganz schön grinsen. Allerdings wollen die Kinder und wir nun auch wissen was denn “Kamale“ sind. Du hast dich bestimmt verschrieben… Schakale, meint Maja.
      🙂
      PS: Matthias vermisst dich.

      • Timo's Gravatar Timo
        19. Mai 2018    

        Ich habe mal im Internet nachgesehen.. es gibt Kamale tatsächlich. Das ist eine Siedlung in Kenia O.o (2.75°S 40°E)
        Ich bin auf jeden fall froh, dass ihr einigermaßen gut duch den Zoll gekommen seit. Ich bin schon gespannt was Matthias zu erzählen hat.

        Gruß Timo

  2. Guido's Gravatar Guido
    17. Mai 2018    

    Einladung

    zu einem gemütlichen (spiessigen) Sonntagsmittagessen bei uns in Köln mit allem pi pa po.
    Gegenleistung: Schilderung Eurer Reiseerlebnisse mit Fotos.

    Da ja bekanntlich Jeanette im Kartoffelchipsbusiness arbeitet, gibt als Geschenk auch Salzstangen so viel Ihr wollt. (Unbegrenzt haltbar.)

    Wie lief die Einreise nach Israel?

    Guido

    • Itchy Feet's Gravatar Itchy Feet
      18. Mai 2018    

      Einladung angenommen! Wir freuen uns echt darauf, vor allem auf das Pipapo. Miri kann es gar nicht abwarten die Salzstangen zu testen und Matthias will unbedingt dein Moped sehen.
      Einreise nach Israel? Brauchen wir nicht nochmal, sind auch gespannt auf die Ausreise.
      Bis ganz bald!

  3. Herbert's Gravatar Herbert
    17. Mai 2018    

    Gut, dass es Euch wieder besser geht. Geniesst die Zeit, der Alltag kommt frueh genug.

    • Itchy Feet's Gravatar Itchy Feet
      18. Mai 2018    

      Hallo Herbert! Fast freuen wir uns sogar auf den Alltag und etwas Normalität. Aber nur fast… 🙂

  4. Ela's Gravatar Ela
    16. Mai 2018    

    Auweia! Gott sei Dank geht es Euch wieder besser! Es ist schoen, dass Ihr trotzdem eine schoene Zeit in Joranien hattet. Weitehin gute Genesung und eine schoene Rueckreise!

    Bussis,
    Ela

    • Itchy Feet's Gravatar Itchy Feet
      16. Mai 2018    

      Vielen Dank, liebe Ela! Die schlechten Tage sind schon fast vergessen, die schönen Erinnerungen überdecken das.

  5. Oma Gitte's Gravatar Oma Gitte
    16. Mai 2018    

    Na, das war ja wohl ein ganz schoenes Abenteuer. Ich bin so froh, dass es Dir und Maja wieder gut geht. Weiterhin eine gute Reise und passt gut auf Euch auf!
    Bussis an die zwei Super-Maeuse!
    Oma Gitte

    • Itchy Feet's Gravatar Itchy Feet
      16. Mai 2018    

      Huhuu, ja uns geht’s wieder richtig gut. Liebe Grüße von den besten Supermäusen zurück! Sie freuen sich schon sehr dich wiederzusehen.

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

Und das schreibt ihr!