28) Gelbe Engel in Slowenien

Wir hätten die Finger von der kaputten Fensterkurbel lassen sollen! Kaum hat Matthias sie repariert, klapperts hinten rechts fast unmerklich, so dass zunächst nur ich es höre, wenn ich hinten sitze. Wir kommen auch die nächsten paar tage nicht hinter das Klappergeheimnis und schieben es erstmal ab, hoffen, dass wir uns für die restlichen sechs Wochen keine Gedanken machen müssen darüber. Mehr Sorgen macht sich Matthias am Abend noch um den leeren Tank. Auf dem umständlichen Weg hierher nach Osp gab’s nicht nur keinen funktionstüchtigen Geldautomat und wir hoffen das Geld reicht noch für den Platz, auch kein Supermarkt – kein Problem, wir sind kreativ geworden im Pfannenschmaus-Reste-Essen – und keine Tankstelle. Aber lieber morgen am Tage auf der Straße liegen bleiben als jetzt noch am Abend und der Campingbesitzer besorgt uns nicht nur Strom, er verspricht uns für morgen ein Brot aufzubacken und dass hier alle Nase lang eine Tanke gibt. So langsam entspannt sich auch mein Matthias und am nächsten Tag haben wir alle Beschimpfungen über unser Navi vergessen, tippen den nächsten Bankautomat ein, Benzin wird schon reichen und los geht’s dann am Mittag. Wir haben jetzt also nicht nur kein Essen, kein Geld, kaum Benzin, wir haben auch keine Vignette für die Mautstraßen und so soll uns das Navi nur 8 Kilometer zum Automat bringen. Wir verzweigen uns in immer kleinere Straßen und dann will uns die Steffi immer und immer wieder in eine Einbahstraße führen. Viele Möglichkeiten hat Slowenien nicht, wir müssen jetzt mal echt Geld holen und tanken, so trauen wir uns ohne Vignette auf die Schnellstraße bis das Navi uns nur noch etwa vier Kilometer bis zum Automat verspricht,wo es auch eine Tankstelle geben soll. Also, was hat sie gesagt? Hier bei der Ausfahrt runter? Ja, ja schnell noch abbiegen und… und … was? Wohin gehts denn hier?! Wir sind auf der Autobahn und die Entfernung zum Ziel springt auf 23 Kilometer. Uns fällt dermaßen das Herz in die Hose, da wir doch eigentlich schon da waren und jetzt gibt’s keine Möglichkeit zum Abbiegen!? Ich tippe aufgeregt auf den Bildschirm rum, lösche „Mautstrassen vermeiden“ und die Strecke wird noch länger. Gebe es wieder ein, suche, tippe, suche, vertipp mich. Was sagt DIE??? Nächste Ausfahrt in acht Kilometer, keine Tankstelle, nichts. Und dann… Ein Tunnel. Uns wird schlecht, bitte bitte nicht hier leigenbleiben. Kein Seitenstreifen (so was Idiotisches!), kaum eine Nothaltebucht. Echt Horror! Verdammt ist der lang! Und noch länger. Wir sehen Licht, meine Unterlippe ist kaputtgebissen. Die Mädels schlafen. Wir sind draussen, zumindest gibt’s hier einen kleine Haltestreifen auf der Brücke. Nichts wo man liegen bleiben will. Geschafft, da vorne ist gleich die Abfahrt, egal was da liegt, wir fahren da raus… Doch daraus wird nichts. Es geht Berg hoch, da ist der Tank schneller leer, kein Mucks macht der Bus mehr und wir rollen auf den Seitenstreifen der Ausfahrt. Was jetzt? Wo sind die handys? Erstes Handy ist schonmal der Akku leer. Nächstes geht. Derweil donnern die Laster und Autos an uns vorbei und ich beeile mich Maja ganz ruhiger, zittriger Stimme zu wecken, sie und die Susanna in ihrem Maxi Cosi über die Seitplanke zu hiefen, während Matthias das Warndreieck aufstellt. Wir haben Glück in der Mauer neben dem Seitenstreifen befindet sich eine Plattform in einer Nische für einen Gulli. Dort finden wir Schutz und etwa zehn Zentimeter Schatten. Schonmal versucht Kinder für eine Stunde in einer solchen Einbuchtung zu bespaßen? Das Bestaunen der Autos, Laster, Busse und Wohnmobile wird schnell unlustig, Maja wil springen oder stehen, was nicht geht. Susanna schläft gottseidank und Matthias redet immer noch mit dem ADAC. Während sich irgendwelche Steine in meinen Popo bohren, bauen Maja und ich Steinchentürmchen, basteln eine Maske aus Kekspapier und stecken die Zunge durch, ich finde einen Kulli in meiner Tasche und Maja malt Straßen auf die Maske (ihr Lieblingsbuch ist zurzeit der der Europa-Straßenatlas). Als Susanna wach wird, darf auch sie grinsend Kekse probieren. Matthias brüllt weiterhin das Handy an, doch schließlich gesellt er sich zu uns und warten, warten, warten. Ich kann gar nicht genug danke sagen, dass uns der letzte Rest Diesel im Filter aus den Tunnel und von der Brücke gerettet hat, dass es nicht wie in den letzten paar Tagen regnet, donnert und blitzt, dass wir uns in einen Minischatten quetschen können und das Ganze mit dem ADAC sogar funktionieren könnte. Wir sind gefundenes Fressen für gefälschte Abschleppfahrzeuge, wovor uns der ADAC gewarnt hat und die Polizei, die an uns vorbeibraust und sich anscheinend nicht für die nichtvorhandene Vignette interessiert (oder, dass da ne Familie mit zwei Kindern am Autobahnrand hockt). Der Slowene, der dann mit dem gelben Fahrzeug uns die rettenden Schlückchen Diesel bringt, muss schnell lachen als Matthias (mittlerweile viel entspannter) erzählt, dass wir problemlos durch Marokko nach Slowenien gefunden haben, aber hier zu blöd zum Tanken sind. Der Motor im T3 ist leider immer noch hinten: alles raus an den Autobahnrand, Koffer, Spielsachen, Decken, Kissen, Schalfsäcke, Puppenwagen. Mehrmals wird’s nochmal aufregend, weil der Motor nicht anspringt und unsere Sachen sowie der Slowene in einer Rauchwolke verschwinden. Spray rein, läuft und wir werden zum nächsten Bankautomat mit Tanke geführt. Die Ausfahrt, bei der wir stehengeblieben waren ging übringens nach Osp, was uns ein Zeichen ist. Und nach einem Aufräumaufenthalt an der Tankstelle, einem Verarbeitungs-Burger beim Mäckes in Koper, einer Kompletterneuerung unserer Lebensmittelvorräte fahren wir zurück zu unserer Mizi in Osp auf dem lieben Campinplatz, die vor lauter Glückseeligkeit über unsere salami-spendablen Laune (und die einzige Möglichkeit sie von unseren Tellern fernzuhalten) sich stundenlang von Maja im Puppenwagen spazieren lässt, um dann schnurrend bei mir auf dem Schoß einzuschlafen ohne sich von Susannas kichernden Schnurrhaarenattacken stören zu lassen. Auch ein Hahn kräht endlich nochmal von nebenan, Susanna bekommt sofort große Augen und erweitert ihr Tierstimmenrepertoire mit „Di Diiiiii!“. Außerdem müssen wir Susanna einen Laufwagen basteln aus Puppenwagen und Reiseführern. Die Mizi sträubt sich leider als Maskottchen den Wagen zu beschweren, doch Susanna düst auch so seitdem mit Majas wackeligen Mini-Buggy offroad über Stock und Stein. Und wehe es schmeißt sich ihr ein Grasbüschel in den Weg. Der rebbelische Protestschrei ist meilenweit zu hören.

Am nächsten Tag, nachdem wir mehrmals die Mizi aus dem Bus katapultieren müssen und zum Schluß nochmal alles durchsuchen, damit wir keinen blinden Passagier mitnehmen, fahren wir mit vollen Tank, voller Geldtaschen vollem Kühlschrank Richtung Kroatien. Kurz vor der Grenze auf einer kleinen Straße in den Bergen stellt sich eine Wand aus schwarzen Wolken in den Weg, ein Platzregen versperrt uns die Sicht und mal wieder zucken die Blitze über uns hinweg. Wir haben keine Eile mehr in uns nach dem gestrigen Abenteuer, stellen uns auf einen Parkplatz, klettern durch den Bus nach hinten (wer den Bus kennt, weiß, das allein das eine lustige, abenteuerliche Aktion für sich ist, muss man aber alles mal gemacht haben) und beobachten bei einer Brotzeit Blitze, Regen und Stau, fahren dann nach Kroatien ein und steuern direkt auf die Küstenstraße zu. Ganz wichtig: noch in Slowenien kaufen wir uns eine Straßenkarte (und Haribo) der Balkanstaaten, damit wir wieder sagen wo es lang geht und unser Navi uns nicht an der Nase rumführt. Auch wichtig: wir fahren nach Bauchgefühl und halten deswegen entgegen unserer Pläne dort an, wo wir völlig fasziniert auf ein paar von der Sonne anstrahlende, fjordartige Felsen und Buchten im Meer schauen, auf einem Campinplatz der weder unser Navi noch der Campingführer kennt und der uns einen wunderschönen Stellplatz direkt am Meer einbringt.

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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