12) Donaudelta 2

Ich bin’s nochmal euer Universum. Ähm, ich kann’s nicht ändern, so sind se halt die Rumänen, versuche euch vom Schlimmsten zu verschonen, einfach immer tief durchatmen. Ein Tipp: Allen Signalshirts aus dem Weg gehen!
Guter Tipp, wie denn?!? Der lauerte den armen Matthias auf sobald wir auf seinem Bildschirm erschienen und erzählte uns eine Lebensgeschichte nach der anderen. Aber so haben wir bis heute noch ziemlich gute Running-Gags und unseren wahren Meister gefunden, um an unserem eigenen deutsch zu feilen: „Eh, Matthias! Gudd, eh? Du schätzen, isch bin wie alt, eh?“ Ehrlich gesagt siehst du aus wie sechzig, aber wir ziehen mal zehn Jahre wegen Rauchen und Alkohol ab und dann nochmal fünf um dir zu schmeicheln „40…45??“ „Aah, ja du guter Frreund, Matthias! Ja isch gut erhalten, was? Nein isch sein 54 Jahre alt. Isch Fußballer. Rapid Bukarest! Na?“ Oooh, wooooow, wiiiirkliiiich? Wir schätzten mal als Fußballlegasteniker ein, dass vor uns eine Legende stand, vielleicht DER rumänische Maradonna? Sah ihm zumindest äußerst ähnlich. „Und isch gewesen in Deutscheland Fußball, in Darmstadt!!!!“ Oha, wohl eher keine Legende, doch wir ließen uns nichts anmerken. „Und jetzt weisstu Matthias isch machen? Ja isch jetzt leben von deutscher Rente, escht gudd! Kriegen gutes Geld von Deutschen, nix mehr arbeiten und nun isch leben wie König in Romania., weil isch haben restauriert kleine Appartement. Jetzt isch machen Heiratenpapiere für tausend Euro und in Türrkei für zehntausend Euro. Gutes Geschäft. weisstu?“ Nee, is klar, finden wir grandios. „Meine Tochter arbeiten bei Zoll, Matthias, zum Beispiel: wenn du wollen Kokain schnuggeln…“ Schluck, nein danke. „Eh Matthais, isch haben hier gute Wein für disch, eh? Hier isch gut Beziehung, extra besorgt, is Geschenk! Von mir an meinen neuen Frreund.“ Danke, wir freuen uns sehr über den Wein. „Zum Beispiel: wenn du wollen Urlaub machen in Schwarzmeer, du mir sagen, isch hab Frreunde und dir machen Angebot, nix teuer,.“ Jedes Mal wenn uns das Gespräch im Laufe des Tages zu unangenehm wurde, brauchten wir nur einmal „Fußball“ sagen und wie der konditionierte pawlowsche Hund änderte sich das Thema: „ Ja isch sein jetzt Fussssballtrainer! In Köln!“ was für ein Zufall… „Und in Darmstadt!“ Liegt ja auch ganz in der Nähe… „Zum Beispiel: isch kommen nach Köln, isch disch kommen besuchen, Matthias! Du morgen einfach mir deine Nummer aufschreiben, eh gudd?!“ Klar, versprochen, tolle Idee, komm vorbei! „Und du?? Bistu 30 Jahre? Ja, noch seeehr jung!! Und du, Frrreundin? 33? Ooooh, Matthias, seeehr gudd! Junge Frau nix gudd, will nur Party machen und dann weg, so wie meine, weisstu. Zum Beispiel: alte Freundin is seeehr gudd. Is brav und immer da, gut kochen und so. Gudd Matthias, herzlichen Glückswunsch zu alter Frrrau!“ Grr, Miri! Ruhe bewaren…. „Eh Matthias, zum Beispiel: du musst leben JETZT nix in 15 Jahren, jetzt is gudd nix morrrgen! Ja und viel gute Feiern! Wie andere Gäste hier. Ohlalalaaa, schöne Frauen, jetzt hier, oooh“ Er rollte mit den Augen während zwei typisch rumänische Schicksen an uns vorbei stöckelten, natürlich mit original Gucci und Dolce-Cabana Mega-Brillen, 10-Zentimeter-Absätzen und genauso lange strassbesetzte bunte Plastikfingernägel, dick geschminkt und abschätziger, arroganter Blick. „Du müssen hier bleiben über Sonntag, sowiso nix offen, alles Osterrrn und gute Fest feierrn. Was?? Du wollen Ruhe?? Jaa, Ruhe ist gudd, aber zuviel Ruhe macht kaputt in Kopf!“ Achso, und die Flasche Bier und die tausend Zigaretten am Tag machen ihn wieder ganz? Mit diesem Spruch des Tages entzogen wir uns dann und hofften mit dem Bötchen, soweit weg wie möglich von Schweizer-Shirt in XXXXL zu kommen. Kurz vor Abfahrt, wir saßen eigentlich schon im Boot, diente uns Signalshirt gottseidank als Dolmetscher. „Ah, willstu nach Caroarman in Wald oder willstu spazieren?“ Zum hundertsten Mal, mit Engelsgeduld, wir möchten den Wald sehen und nicht im Ort spazieren gehen. „Weil ist so: wenn in Wald dann geht nur wenn Waldmeister disch fährt, sonst nix Wald, aber isch machen, wir regeln schon. Wir fragen, vielleicht du können in Wald, sonst Pech. Das sein euer Guide heute, er suchen nach Waldmeister, vielleicht finden!“ Na und das fällt denen, erst eine halbe Minute vor unserem Trip ein, den wir schon seit gestern in allen Sprachen besprochen hatten. Zum Anderen war aber endlich mal jemand da, der ehrlich sagte, dass etwas nicht klappen könnte. Junior-Patron besprach ganz genau mit unserem Bootsführer, was zu tun ist und wir erwähnten nochmal, dass wir keinen Lacul jetzt sehen möchten, sondern auf den direkten Weg zum Caroarman. Da alle Drei, Signalshirt, Junior-Patron und Guide, zweifelnd mit dem Kopf wogen, gingen wir mal davon aus, dass wir diese Wälder nie sehen werden. Doch gut gelaunt, endlich von Signalshirt wegzukommen und raus in die Natur zu schippern, nahmen wir wieder unsere Plätze ein, ich packte mich in dicke Jacken und Decken und los ging’s! Dieser Tourenführer war um einiges qualifizierter! Schon zu Beginn schenkte er uns eine Tafel Schokolade und machte sogar den Mund auf, um mit uns ein paar Brocken englisch zu reden. Wir düsten die ersten paar Meter den unspektakulären großen Nebenkanal von gestern entlang. Die Sonne wärmte uns, und der Wind hatte sich über Nacht gelegt. Nach fünf Minuten machte unser Bötchen eine Notbremsung und uns schwante schon das Schlimmste. „Duck!!!“ Achso, da ist ne Ente. Jaja, was ist jetzt mit Caroarman? Zwei Meter weiter, wieder Vollbremsung „Bird!!!!“ Hmm ja, ein Reiher, haben wir schon hundert Fotos von, aber na gut ihm zu liebe machten wir noch ein Foto. Wir hielten tatsächlich bei jeder Ente und jedem Vogel, jedem Pferd und jeder Kuh. Und gehorsam fotografierten wir die Tierwelt. Vor lauter Begeisterung bog er in den nächsten kleinen Kanal und wir landeten… an einem See.
Nach dem See kamen wir endlich in der Geisterstadt an und schnell war klar, kein Waldmeister und kein Wald für uns. Hatten wir ja mit gerechnet. Bei dem dubiosen Angebot eines eigenartigen Seemannes am Kai schüttelte selbst unser Guide verwirrt den Kopf und murmelte was von „One mille Lei for Tour“, rollte heimlich die Augen für uns und schob uns zurück ins Wasser. Er telefonierte mit unserem Signalshirt, denn wenn das Shirt auch etwas nervig war, als Übersetzer war er in dieser Zeit einfach Gold wert. Und Matthias und ich hatten ja sofort Plan B parat: ne schöne Strecke durch die Seitenarme der Seitenarme und Seen des Deltas. Kaum zu glauben: es funktionierte! Wir fuhren noch zwei Stunden durch die Landschaft und konnten uns kaum satt sehen an den riesigen Schwanschwärmen, wie sie vor unserer Nase aufflogen, wenn wir in den Schwarm fuhren, an den Kolonien der großen Pelikane, der Schilflandschaft, den Minikanälen und den Seerosen, die geisterhaft noch knapp unter der Wasseroberfläche schlummerten. Wir überquerten seichte Stellen, die gerade mal eine Handlänge tief waren und tiefe Kanäle in denen man weit bis auf den unheimlichen Grund unter uns schauen konnte. Die Unterwasserwelt war teilweise interessanter als oben drüber: große Steine, Unterwasserpflanzen und Schilfwurzeln waren dort so dicht mit spinnwebartigen Algen verwebt, dass sie skurrile Gebilde formten. Wir kurvten durch das Delta, bis dass unser Po platt gesessen war und kamen pünktlich zu Osterlammsuppe und zarten Osterlammbraten in unsere Pension. Wir sind überzeugt, kein Wald der Welt hätte mit dieser paradiesischen Tour mithalten können und so schlummerten wir mal wieder zufrieden und glücklich in unser Mittagsnickerchen.
Um vor Signalshirt zu flüchten und um unseren Körper auch mal in Bewegung zu setzen, spazierten wir nachmittags  bis zum Storchennest, beobachteten Mama Storch beim Putzen und Papa Storch wie er sein Geschäft verrichtete und kamen zur Abendessenszeit zurück. Mist! Signalshirt hat das Shirt gewechselt. In einem gut getarnten blau-weiss quatschte er uns die nächste Kartoffel ans Ohr. Doch wir amüsierten uns prächtig, denn im Grunde genommen ist er auch nur ein kleiner Sprücheklopfer und Angeber, der nun allen zeigen kann, dass er neue Frreunde hat in Deutscheland. Uns sorgte eher noch die morgige Abfahrt an Ostersonntag. Doch keine Prrrropleme für Meister Augenzwinker-Schlitzohr-Marradonna „Matthias, ist garr kein Prroblem!“ Sag ich doch. „Lass misch machen, du weisst ich haben Frreund hier, er kann dich fahrrren nach Tulcea, wie Taxi, nix müssen in Boot.“ Na klaro, mal sehen für welchen Preis. „Siehstu, alles klar, er fahrren, nur hundert Euro.“ Ähm, nein danke wir nehmen das Boot für zehn Euro. „Ja, aber zum Beispiel: wenn du fährrst mit Freund, is nurr eine Stunde. In Boot, ohlala, ganz früh um Sieben losfahren und ganz lange fahrren.“ Danke, wir nehmen immer noch das Boot. Es dauerte noch einige überzeugende Worte bis er verstand: „Na gudd, du nehmen Boot, keine prroblem für misch.“ Na, da sind wir aber erleichtert.
Da unser Essen anscheinend noch nicht fertig war, gingen wir nochmal Sonnenuntergang schauen, Hauptsache raus aus dem mittlerweile ziemlich verrauchten Kabuff, wo laute Musik („Eh, Matthias, Musik gudd?!? Ja?!“) unsere Ohren beschallte und jeder Gast, auch Signalshirt in Tarnshirt, schon ziemlich nach Alkohol rochen und einen verschleierten Blick bekamen. Nach dem Sonnenuntergang trauten wir uns wieder rein, und wurden etwa viermal vertröstet, dass das Essen in 10, 15, 20 Minuten fertig sei. Netterweise hatte Signalshirt uns etwas weiter weg von der qualmenden Meute platziert, zufälligerweise an seinen Nebentisch. Aber wir waren wirklich dankbar. „Weisstu besserr dachte isch. Ihr mögen kein Qualm. Und weisstu, isch dir jetzt sagen, warum noch kein Essen.“ Die Spannung stieg. „Stromausfall. Auch isch warten seit halbe Stunde aber manchmal ist so im Leben, mein Frreund. Weisstu isch haben extra Sssnitzel bestellt für misch und für euch, meine Frreunde.“ Ähm… wir wollten aber doch Fisch. „Ja keine Prroblemme. Cheffe sagte auch, Frreund, dass sind Deutsche, die hier essen keine Sssnitzel. Kann man nix machen. Ihr jetzt kriegen Fisch und aaaaaaah, da kommt, siehstu! Hab isch gesagt, isch für euch schon alles regeln!“ Der Zigarettenqualm, die ganze Quasselei und die laute Musik setzte uns langsam ein wenig zu, aber das Essen tat gut, wenn auch um zwei Stunden zu spät, und wir waren froh, als wir endlich in unser Zimmer kamen.
Zuvor sorgte Signalshirt aber noch für einen letzten Schocker: „Matthais weisstu, wir haben Prrrobleme jetzt… grrrroooooosse Prrroblem, ganz grross!“ Und traurig schüttelte er den Kopf. „Morgen weisstu, morgen fährrrt kein Schiff, überhaupt keins, eben telefoniert, alles zu! Nurr mein Frreund fährt, jetzt 80 Eurro…“ Also vor etwa fünf Minuten hat dein Freund uns Abfahrtszeiten genannt und Tickets reserviert, sowie das Frühstück organisiert… „Aaaah ja, du warrrten isch noch mal sprechen… Alles klar mein Frrreund, du morgen fahren mit Schiff. Schifff nun doch fahrren.“ Hinten stand sein Freund, der Junior-Patron, zwinkerte uns zu und meinte mit einem Kopfnicken auf Signalshirt „Sleep.“ Ja ich glaub der braucht ein bisschen mehr als nur Schlaf. Wir übrigens auch und vor allem frische Luft und weniger Bass in der Musikanlage.

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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