6) Cheile Gremisuara – Busteni

Was für ein Tag! Was für ein teurer Tag, was für ein Pechtag, was für ein aufregender Tag, was für ein Stolpersteintag, was für ein ratloser Tag, was für ein komischer Tag! Was! Für! Ein! Tag!
Er begann so strahlend und unschuldig. Die Sonnenstrahlen weckten uns morgens indem sie uns in der Nase kitzelten. Voller Elan tischten wir ein köstliches Picknick auf unserem Sonnenbalkon und genossen bei heißer Schoki und strahlend blauen Himmel die Bergaussicht vor unserer Nase. Wir philosophierten über die verschiedenen Momente, die eine Reise beinhalten sollte. Pausierende, entspannende Augenblicke, aber auch erlebnisreiche, aufregende Momente, und dass man weder von dem einen oder dem anderen zu viel oder zu wenig haben möchte. Schnell war der Tagesplan klar an diesem pausierenden, entspannenden Tag: wir genießen noch einen weiteren Tag in den Bergen bei Busteni oder Sinaia. Hauptsache raus. Doch das Universum hatte weitaus anderes mit uns vor…
Die Kurzversion: wir wissen nun wie eine rumänische Dorf-Polizeistation von innen aussieht, und dass ein Polizist hier 500 Euro verdient. Wir sind um 150 Euro und 190 RON ärmer, um zwei Schaffelle sowie ein paar graue Haare reicher, wissen jetzt was wir alles im Auto haben und was nicht mehr und haben versucht die Route zur deutschen Botschaft in Bukarest herauszufinden, die es anscheinend gar nicht gibt.
Aber nochmal von vornm, die Langversion: beim Packen unserer Koffer bemerkte Matthias plötzlich, dass seine Börse mit Pass, Autopapiere und 100 Euro nicht aufzufinden war, was uns zunächst nicht direkt in Panik versetzte, denn wir zwei Schussel sind ja gerne mal lange auf der Suche nach verlegten Sachen. Nachdem aber das Auto samt Inhalt schon zum zweiten Mal komplett ausgepackt und jede Socke einmal umgedreht worden ist, ich sogar die Schränke im Zimmer verschoben habe und selbst hinter den Heizungen kein weißer Beutel auffindbar war, stand fest: der ist weg und wir ließen die Polizei rufen. Die erste halbe Stunde verbrachten wir mit Warten, schon ganz der rumänische Lebensstyle. Die nächste Stunde damit, den zwei Polizisten zu erklären, wo wir gestern alles waren, was wir gemacht haben, wann wir die Börse noch hatten, wann nicht mehr, wieviel Gäste in der Pension waren, um dann einige Zeit darauf zu warten, dass der Polizist, der glücklicherweise etwas englisch sprach, herum telefonierte, um zu erfahren, was nun zu tun sei. Haben wir sie verloren oder ist sie uns gestohlen worden? Wir glauben ja Letzteres (Schuld sind immer die anderen!), die Polizei ihrem Blick nach zu urteilend, glaubte eher wir seien die Schussel (Niemals!). Ob es wohl genau darum ging als plötzlich drei Angestellte der Pension, davon einer ein Bodybuilder-Rumäne und zwei Polizisten im Kreis um uns standen und wild drauf los diskutierten und gestikulierten. Schwer abzuschätzen, welchen Verlauf der Wortschwall über unseren Köpfen, die wir leicht eingezogen hatten, nahm. Gehörte auf jeden Fall zu den unheimlichen Momenten des Tages. Die darauffolgende Stunde verbrachte ich abwechslungsweise draußen auf der Bank und Matthias im Polizeiauto (Anschnallen? Ach quatsch, nott nessesserrrri!). Man wollte schauen, ob wir die Sachen nicht an unserem Picknickplatz oder den anderen beiden Pensionen verloren hatten. Oder doch im Zimmer, wo sie noch unsere liegengelassenen Quittungen checkten und erkannten, dass wir tatsächlich noch Wasser und Saft eingekauft hatten sowie das Zimmer bezahlt. Wow, was für ein Hinweis, Sherlock Holmes und Dr. Watson! Besser wir räumen alle nochmal das gesamte Auto aus! Das Innere unseres Wagens wurde genauestens unter die Lupe genommen, erst als wir den Kofferraum aufmachten, winkte Sherlock hoffnungslos ab. Ein zeitraubendes Unterfangen wohl. Komisch, haben wir wirklich so viel mitgenommen?
Daraufhin folgte die Fahrt hinter den Detektiven her zur dörflichen Polizeitation, die erst aufgeschlossen werden musste, in einem kleinen Holzhäuschen mit Kaminofen. Der Polizist nahm also jetzt den Bericht auf, legte sich ein DIN A4-Blatt zurecht und schrieb drauf los, per Hand wohlgemerkt: „Ich, Eisengruber Matthias Paul geboren am Soundsovielten in Traunstein, Sohn von Josef und Brigitte…“ So verbrachten wir also eine weitere Stunde bei der Polizei, die sichtlich froh war, dass sie mal was zu tun hatte, und dabei freundlich, unterhaltsam und bemüht blieb.
Leicht ratlos nach diesem Erlebnis begannen wir unseren Reisetag mit erheblicher Verspätung und legten erstmal Rast ein um was zu essen. Vor der Patisserie hätte uns dann fast ein kleiner Junge beklaut und die Frust-Gebäckteilchen befriedigten uns auch nicht wirklich. Wir beschlossen bis in die Nähe von Bukarest zu fahren um am nächsten Tag Draculas Grab und eventuell die Botschaft aufzusuchen. Das Wetter war wirklich toll und als wir durch Busteni fuhren und die grandiosen Bergspitzen am blauen Himmel sahen, machten wir kurzerhand Halt, suchten uns eine Pension und ließen uns mit dem Preis von 100 RON (25 Euro) übers Ohr hauen. Doch immerhin haben wir eine schöne Aussicht vom Balkon auf die Berge. Wir wollten jedoch raus, um wenigstens noch irgendwas zu sehen. Wir fanden eine Marktstandmeile, wo wir ein Schaf-Fell (nach langer Überlegung entschieden wir uns für diese dämliche Schreibweise, weil Schaffell, Schafell oder Schaaffell eher unbefriedigend ausschaut) für mich, weil die hiesigen Stahlfederkernmatratzen mit meinem immer schwerer werdenden Becken kollidieren, und ein Lammfell für die Maja kauften. Nicht nur preiswert und runter gehandelt auf 90 RON sondern wie wir später bemerkten auch schrecklich nach Schaf stinkend, so dass die Benutzung dieser Felle erst nach gründlicher Reinigung daheim möglich ist.
Es blieb uns noch ein Stück Restmotivation, die uns unserem Bauchgefühl (gottseidank, es funktioniert noch!) und einem Schild folgend zu einem wunderschönen Bergkloster führte. Ergriffen, spazierten wir durch den Vorpark und lauschten den Gebetsgesängen der Mönche, die über Lautsprecher das kleine Tal beschallten. Wir trauten uns in eine kleine Holzkapelle rein in der wir vier Kerzen kauften, die wir später in kleinen Stahlkammern anzündeten, wobei zwei Kammern für die Lebenden standen und zwei für die Verstorbenen. Noch ziemlich bewegt und mit feuchten Augen gingen wir zum Auto zurück.
Ja, und wer anfangs gut aufgepasst hat und jetzt nachrechnet, dem fällt vielleicht auf, dass das letzte Fettnäpfchen im Wert von 50 Euro noch fehlt. Nun, am Auto angekommen, suchte Matthias alle seine Taschen durch, aber der 50-Euro-Schein fehlte. Wahrscheinlich ist er ihm beim Kerzenkauf aus der Tasche gefallen, und wir hoffen nur, dass die alte Frau, die in der Kapelle saß, ihn gefunden hat und das Geld gut gebrauchen kann. Schnell machten wir uns auf den Weg in die Pension, damit uns nicht noch mehr abhanden kam. Wir stellten noch fest, dass wir weder das angekündigte Internet nutzen können, noch eine Steckdose funktioniert, der Duschvorhang sowie ein Kühlschrank fehlt, der Fernseher nicht funktioniert, die Bettdecke ziemlich dünn ist und wir eigentlich am Besten uns jetzt sofort die Bettdecke über den Kopf ziehen.
Trotz all dem muss ich zugeben, dass wir stolz sein können auf uns, denn so mancher hätte heute wohl den Urlaub verflucht und wäre ziemlich entmutigt gewesen. Nicht, dass wir nicht auch den ein oder anderen Fluch losgelassen haben, am Liebsten mal so richtig mit dem Fuß auf den Boden gestampft hätten, und manchmal ziemlich ratlos und verwirrt da standen. Doch irgendwie gehören solche Tage halt auch zum Reisen und so schnell verlieren wir nicht unsere Freude und den Mut. Nur Moldawien müssen wir aufgeben, denn für diese Land braucht man einen Reisepass. Aber wer weiß, worin der Sinn in dem Ganzen liegt. Vielleicht wäre uns in Moldawien Schlimmeres passiert. Mal sehen, was uns das Universum noch so alles zurecht gelegt hat. Und nun mal ehrlich: wie langweilig wäre dieser Reisebericht wohl, wenn alles glatt laufen würde?!

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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