3) Deva -Fagaras – Predeal

Also vorab: wir lümmeln gerade uns auf unserem 4-Sterne-Bett mit güldenen Überzug in unserem großen 4-Sterne-Zimmer mit Bad MIT heißem Wasser (scheint unterhalb der 4 Sterne hier nicht selbstverständlich zu sein), auf 1060m Höhe in Draculas Heimat, den transilvanischen Karpaten. Und: wir sind total eingeschneit. Und damit’s interessant bleibt: wir sind sogar eingeschneit mit Sommerreifen. Draußen liegen tatsächlich an die 20 Zentimeter Neuschnee und es soll noch die nächsten drei Tage weiterschneien. Na? Schmeckt nach Abenteuer, was? Und wenn man ein Abenteuer überstanden hat, ist das auch alles immer ganz lustig. Wenn man mitten drinsteckt, hat man kurzfristig weniger zu lachen. Doch wie sind wir eigentlich hierher gekommen? Wie schon: mit unserer nicht abbrechenden Glückssträhne mit Aussicht auf erfolgreiches Reisen. Aber was ist „erfolgreiches Reisen“? Sonne, Meer, Strand, Nichtstun und tagelang relaxen? Oder staunend die Welt erkunden, den Blick nicht von Niegesehenen wenden, sei es faszinierend schön oder faszinierend hässlich, Erlebnisse aller Art erfahren ohne eine Minute an die Arbeit zu denken und nicht wissen was morgen kommt? Jeder definiert das wohl anders und wir gehören überraschenderweise zu den Letzteren.
Bei uns gibt’s sogar auch um 6 Uhr morgens was zu erleben!
Ich wachte diese Nacht mit Magenschmerzen auf und diese entwickelten sich zum schlimmsten Sodbrennen der Welt, was nicht schwer ist, da es mein erstes Sodbrennen war. Ich weckte Matthias auf und gemeinsam mit Wärmflasche, Kamillentee (aus einer Schwangerschafts-Intuition heraus habe ich das alles in unseren Notfallkoffer gepackt, inklusive Wasserkocher!), sanften Rückenmassagen und magengerechten Hockpositionen bei Stillkissenlagerung wurde es nach einer Stunde tatsächlich besser. Wir qualifizieren uns also auch als eingespieltes Krankenschwesterteam. Seitdem steht für mich also nur Schonkost und Mini-Portiönchen an, und Matthias unterstützt mich netterweise indem er sich ebenfalls von Süppchen und Brot ernährt. Den Schnaps heute abend haben wir als leidenschaftliche Schnapsdrosseln somit dankend abgelehnt, hatten ja meine Sodbrennen-Ausrede und Matthias überzeugte als Gentlemen, der natürlich nicht trinkt, wenn seine Frau auch nicht trinken darf. In Osteuropa muss man sich schon was ausdenken um um den Alkohol herumzukommen.
Voll motiviert stiegen wir heut morgen in Deva ins Auto und zeigten immer wieder gen Osten, und wiesen uns gegenseitig darauf hin, dass der Himmel da ja viel heller sei. Es zog sich immer weiter zu, doch selbst nach einem heftigen Graupelschauer verloren wir weder Mut noch Überzeugung, den Karpatenpass, den unser Nüvi immer wieder boykottierte, zu überqueren. Auf der anderen Seite der Berge scheint bestimmt voll die Sonne und der Frühling wird uns in seine Arme schließen! Die schneebedeckten Hügel neben uns beunruhigten uns nur bedingt und somit überlisteten wir unser Navi und fanden die Passstrasse ganz von alleine, wenn auch mit ein paar Ausbrechern in ungeteerte Nebenstraßen. Die ersten 20 Kilometer waren wirklich grandios, leider waren es auch die einzigen 20 Kilometer, die wir auf dieser Strecke zurücklegten. Ab 1200 Meter Höhe trauten wir uns nicht weiter, denn wie oben schon erwähnt: wir hatten daheim extra Sommerreifen drauf gezogen, weil der rumänische Arbeitskollege von Matthias lächelnd die überflüssige Frage bezüglich Winterreifen im April abgewinkt hatte. Naja und ab 500 Meter aufwärts schneit es jetzt seit zwei Tagen. Kaum eine Erklärung wert, mit welchen langen Gesichtern wir lieber umkehrten.
Doch unsere Motivation hielt an und so steuern wir unser nächstes Zeil an: Predeal direkt unterhalb von Brasov, wo wir ein paar Tage bleiben möchten (beziehungsweise nun auch zwangsweise müssen) und fröhliche Exkursionen in Draculas Umgebung unternehmen werden. Wir staunen immer wieder über die rumänischen, älteren Bilderbuch-Frauen, die fleißig mitten auf irgendwelchen Grünflächen in der Wiese hacken, über die Männer, die entweder irgendwo in der Erde ein Loch buddeln oder am Straßenrand im Watschelgang auf irgendwas warten. Wir bewundern so manche überschminkte, rauchende Frau, die geübt mit ihren krallenartigen, buntlackierten Fingernägeln die rumänische Form der Anhalterbewegung beherrscht. Straßenhunde, Schafherden, hunderte von freilaufenden ewig-pickenden Hühnern und grasenden Kühen vor Haustüren brachten uns zum Lachen. Die Landstraßen hier führen grundsätzlich durch alle Dörfer Rumäniens anstatt drum herum und die Dörfer an sich bestehen nur aus dieser einen Straße und einer Hexenhäuschensfront, die sich durch festungsähnliche Mauern und Tore von der Straße abgrenzen. Die Abfahrten zu der einen Häuserfront ist teilweise mindestens 45% steil, wobei nach 2 Meter Abfahrt direkt das Tor kommt. Keine Ahnung wie die das mit den alten Klappermühlen manövrieren.
Weiteres aus der Klischee-Schublade „Rumänen“: Wenn die Rumänen sich nicht gerade in Auf-etwas-warten üben, dann überzeugen sie als Überholprofi auf den Straßen. Rumänen fahren grundsätzlich erstmal auf die Gegenspur um abzuchecken, ob Gegenverkehr oder ne Kurve kommen. Beides hält sie jedoch nicht davon ab zu überholen. Und die Überholprofis sitzen nicht nur in Autos, nein, auch die LKWs fahren so. Matthias hält den in Deutschland üblichen Abstand zum Wagen vor uns ein. Davor befindet sich eine Schlange an LKWs und anderen Fahrzeugen, aber alle hinter uns halten das wohl für ne Einladung, sich auch noch in diese Lücke zu quetschen. Wie gesagt auch LKWs, die natürlich eigentlich gar nicht in diese Lücke passen. Nun, der Klügere gibt nach, das sind wohl wir. Zumindest hat uns bisher noch keines der zahlreichen, alten Pferdefuhrwerke überholt, doch auch das schließen wir nicht mehr aus.
Hinter Sibiu haben sich die Straßen vom LKW-Verkehr beruhigt, dafür hatte unsere Steffi (so heißt jetzt unser Navi) nun Halluzinationen. Sie sieht Straßen, die es nicht gibt oder erklärt uns, dass die optimale Route durch Schlamm-Schlaglochstraßen führt. Wir sind ja nicht unfair und geben allen Versuchen eine Chance. Zum Schluss fahren wir jedoch wieder unseren eigenen Weg. Leider wieder durch den verrückten, anstrengenden Großstadtverkehr von Brasov. Aber auch den schaffen wir, da hat’s zwischendurch sogar der Steffi die Stimme verschlagen und mal besser gar nix mehr gesagt. Irgendwann sagte sie uns, dass es nur noch 10 Kilometer bis zum Ziel seien. Naja: 10 Kilometer und 600 Höhenmeter. Und da waren wir wieder: auf tief verschneiten 1060m und vor lauter Schnee konnten wir keine Pensionsschilder mehr lesen. Die Seitenstraßen wären für uns nicht befahrbar gewesen. Doch auf der närrischen Suchen nach einer Unterkunft, geht plötzlich der rumänische Mut mit uns durch. Matthias bog einfach in eine der Nebenstraßen ein, was an sich noch kein Drama war. Wir sahen ein Hotelschild und bogen wieder ab: Fehler! Sogar großer Fehler! Hinter uns hängte ein Geländewagen im Kofferraum, die Nebenstraße der Nebenstraße bestand aus tiefen Matschschnee und darunter verschlammten Schlaglöchern und Schlamm. Und: es ging steil bergauf und rechts und links Schneeberge. Habe ich erwähnt: wir fahren Sommerreifen! Aber natürlich nicht lange, dafür jedoch mit umso mehr Schwung. Kurz vor uns tauchte ein Transporter auf, der mitten im Schneeschlamm stecken geblieben war und es gab keine Chance zu überholen. Versuchten wir natürlich trotzdem, sind ja in Rumänien! Und… Steckten fest. Kopfschüttelnd und mit den Hände ergebend fuchtelnd, machten uns die zwei Rumänen des Transporters direkt die Aussichtslosigkeit dieses Manövers klar. Matthias und mir schlug nun doch das Abenteuerherz etwas hoch und ich betete nur, dass wir bei diesem Wetter mit dicken Schneeflocken, in diesem Schlammloch bitte nicht den Abend verbringen. Matthias Erfahrungen im Gelände sind wirklich bewundernswert. Holpernd und schlingernd, hüpfend und mit dem Motor fauchend und mit kräftigen Schüben des Rumänen schafften wir es zwei Meter zurück auf die nicht befestigte Schlammschneelochspur, hinter uns ja immer noch der verwunderte Geländewagen, der die Situation nicht verstand. Matthias versuchte noch mit allen Kräften den Transporter aus seiner misslichen Lage mit wegzuschieben, aber der fuhr sich leider immer tiefer rein und rutschte auf einmal zur Seite weg Richtung Abgrund. Kein Ausweg mehr für den Wagen, der blieb erstmal wo er ist. Wir nahmen die Rückwärtsfahrt auf, Geländeblödmann hatte sich aus dem Staub… äh Schnee gemacht, stolperten den Abenteurerweg zurück, und wogen uns schon in Sicherheit. Kurz vor der Abbiegung auf die vorherige Straße ging’s so steil bergauf und… wir steckten wieder fest. Zunächst fuhren wir uns immer tiefer rein. Kein Ahnung wie Matthias das alles so macht, aber wir kamen wieder etwas frei, verjagten noch ein paar Rumänen, die sich das ganze Drama genau dort anschauten, wo wir ja logischerweise hinaufsprinten mussten und mit einem kräftigen Lichtgeschwindigkeitsanlauf holperten und schleuderten wir rückwärts, wie über eine Rampe auf die Seitenstraße zurück. Jubelnd und erleichtert nahmen wir wieder Fahrt auf. Doch das Glücksgefühl war nur von kurzer Weile. Zurück auf der Hauptstraße sahen wir, dass auch diese Straße mittlerweile verschneit war.
Wir wollten nur noch zu dem 4-Sterne-Hotel zurück, was wir am Anfang abgewunken hatten und konnten unser Glück kaum fassen dort ein preiswertes Zimmer zu ergattern und freuten uns über jeden Luxus, der uns geboten wurde. Selbst dass im Restaurant auf Repeat gestellte Lied „Dududu, Pickin’ a chicken with me“- Lied, eine Waage die uns um 6 Kilo schwerer macht als die Realität (zumindest behaupten wir das) und eine demotivierende Wettervorhersage brachte uns nicht aus der Fassung. Wir müssen uns einfach über diesen ganzen gelungenen Tag amüsieren. Wie gesagt, wenn man ein Abenteuer überstanden hat, dann kann man schnell wieder darüber lachen. Wir können uns auf uns und das Auto verlassen, wissen im richtigen Moment umzukehren und wir wünschen uns noch lange nicht an den relaxten Palmen-Sandstrand!

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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