23) Gedankengut von der Durchreise

12.11. Caleta Olivia Schublade auf, Argentinien rein, Schublade zu. Top-Ten der wissenschaftlich recherchierten, auf eigenen Erfahrungen basierend, argentinischen Mutmassungen:

1. Argentinien ist gross. Ja, definitiv. So gross, dass eine Reise vom oberen Patagonien bis ins untere doch mehrere Tage in Anspruch nimmt und nicht “so mal eben” getan ist udn ich mich zwar auf die spontane Reise gemacht habe, aber noch nicht weiss wie lang ich dann nach Mendoza brauche. Was unter anderem daran liegt, dass man zum Beispiel von El Bolson nach El Calafate nur im Zickzack fahren kann, denn der direkte Weg dazischen ist 24 Stunden lang Schotterstrasse und dauert angeblich doppelt so lang mit dem ungewissen Ausmaß, ob man überhaupt ankommt. Normalerweise eine ansprechende Option, aber Matthias udn ich haben ein Date, da will ich ankommen.

2. In Argentinien scheint immer die Sonne. An der chilenischen Grenze muessen wir noch bei Regen raus zur Passkontrolle, danach gehts ueber einen tief verschneiten wunderschoenen Pass und an der argentinischen Passkontrolle scheint dann schon die Sonne! Bis heute! Beobachtungen ergaben, egal wieviel Wolken sich nach Argentinien verirren, die Sonne scheint um sie herum. Das sollten wir in Deutschland auch mal einfuehren.

3. Argentiniens Staerken sind niedrige Pferdestaerken. Entweder man besitzt ein bis fuenf Pferde oder drei bis zehn Metallkisten mit 4 verschiedenen Reifen und 2 verschiedenen Tueren. Eine Motorhaube kann man haben, muss man aber nicht, faehrt ja trotzdem. Auch diverse Seitenteile eines – ich wage es kaum auszusprechen- “Autos” koennen wahlweise dran sein oder ab. Ungeachtet der Geroellstrassen mit Schlagloechern versucht man dennoch mit diesem Gefaehrt sich fortzubewegen. Dazu muss man erstmal durch die nichtvorhandene  Fenster greifen und die Tuer, wenn vorhanden, von innen oeffnen, da aussen keine Griffe sind. Scheinwerfer werden mit Klebeband befestigt oder man laesst sie einfach an den Kabeln haengen. Wenn ein “Auto” keine Dellen hat, dann faehrt es üblicherweise nicht durch Argentinien. Unerhoerterweise hat jemand auf 80% dieser Fortbewegungsmittel “Ford” geschrieben. Wahrscheinlich hat er sich dabei einfach nur verschrieben und wollte sichergehen, dass das Ding weiss, dass man mit ihm “fort” fahren kann. Da diese “Autos”, die von innen drin wie ausgeschlachtet aussehen und man sich fragt, wer hier eigentlich wo sitzen soll, sehr dekorativ wirken, stellen die meisten sich diese Monster in den Garten anstatt vielleicht mal Gras wachsen zu lassen oder Blumen oder so was anderes unangebrachtes. Wie gesagt, ein “Auto” ist zu wenig, drei muessen es mindestens sein, damit sich vielleicht die gesamte PS-Zahl an europaeisches Niveau annaehert udn man immerhin genügend Ersatzteile fuer ein Viertes hat. Eine Umweltplakete waere hier wohl fehl am Ort, auch Messungen der Dezibel ergaben, dass man sich besser nicht bis auf 500m an ein fahrenden Schrotthaufen annaehren sollte.

4. Argentinier lernen erst noch richtig castellan/ spanisch zu sprechen. Waehrend die Chilenen in unerhoerten Tempo die Woerter ausspuckten, welches ein sinnvoller Satz in spanischer Sprache ergeben sollte, lassen sich Argentiner mehr Zeit zum artikulieren. Vielleicht muessen sie noch nachdenken wie die Woerter in der Sprache heissen. Meistens vertun sie sich dann aber dennoch mit der Aussprache und sagen zum Beispiel statt “calle” “casche”.

5. Fleisch ist Argentiniens Grundnahrungsmittel. Und das ein einzigartig Leckeres! Sei es wuerzige Wuerste, Salami oder natuerlich das beruemte argentinische Steak! An 2. Stelle kommt direkt die Avocado, die schon in Chile auf jedem Hamburger lag und hier oft als Guacamole zu allen Tageszeiten konsumiert wird. Aus Erfahrung musste ich jedoch feststellen, dass argentinische Koeche beleidigt reagieren, wenn man sich Pasta Altiplano macht, eine eigene Kreation mit warmer Avokadopampe und Tomate. Sehr koestlich uebrigens. Weniger erfreulich ist weiterhin die Absenz von jeglichen Weingummi. Ansonsten gibts alles an Suessem, aber nichtmal ein kleines Gummibaerchen laesst sich auftreiben. Und man moechte natuerlich genau das immer mehr, was man nicht haben kann! Waehrend ich also argentinisches Hakuna-Matata-Lebensgefuehl  nach Deutschland importiere, schicke ich im Gegenzug ein paar Haribotueten hierher. Reinstes Gold (bären)!

6. Wegmarkierungen ist was fuer Argentiniens Weichlinge. Die es unter den stolzen Herrschaften schliesslich nicht gibt, und der allgemeine Wanderer somit verzweifelt nach roten Pfeilen im Wald sucht, nachdem die erste Stunde vorbildlich ausgezeichnet ist.

7. Argentiniens Hauptsport: Fussball. Wie wahr! Direkt dahinter liegt Rodeo. Dieser unbarmherzige Sport koennen sich Tierliebhaber nicht lange anschauen. Dennoch ist es beeinduckend, wie jemand vom rasenden oder buckelnden Pferd faellt, womoeglich noch viermal uebertrampelt wird und danach mit einem schraegen Laecheln wieder aufstehen kann, sich kurz theatralisch das Bein oder den Ruecken haelt und dann erhaben vom Feld marschiert. Aus meinen Beobachtungen habe ich folgende Mutmassung bezueglich der Entwicklung im Kindesalter aufgestellt: nach dem Krabbeln kommt schon das Reiten und Rodeo-Training, zunaechst auf Artgenossen dann sobald man Harrbueschel oder Zuegel halten kann auf ausgewachsenen Pferden. Danach lernen die Kinder auf dem Arm getragen zu werden, stehen, Fleisch essen, laufen, laut reden, lange aufbleiben, Computer spielen und im Jugendalter dann das Rauchen. Geschlechtsunabhaengig, alles mit der Haltung von Stolz und Wuerde und dem traditionellen Poncho sowie Hut.

8. Argentinier moegen sich selbst und Frauen mit blonden Haaren und blauen Augen. Wie die Chilenen nehmen die Argentinier jede Chance wahr sich mit Kuessen zu begruessen und zu verabschieden, sich in die Arme zu fallen oder auf die Schulter zu klopfen, Haendchen zu halten oder sich einfach irgendwie zu beruehren, allerdings immer dem Geschlecht und Alter angepasst. Auch die Paerchenbildung ist wichtig sowie das Nachpfeifen und Hupen wenn sich eine Frau in der Naehe aufhaelt. Waehrend sie in Sachen Frauen einen guten Geschmack beweisen udn argentinische Frauen wirklich schoen sind, laesst sie die urbane Aesthetik uebrigens deutlich im Stich. Doch dies hoffe ich noch widerlegen zu koennen. Dafuer muesste ich aus diesem unglaublich haesslichsten Ort der Welt, der unverschaemterweise den weiblichen Namen Caleta Olivia traegt, aber erstmal raus.

9. Argentinier lachen viel und laut. Was wohl auf alle Latinos zutrifft und einfach ansteckend ist und guttut. Auch lebt man hier nach der Hakuna-Matata-Philosophie (“Keine Sorgen” auf worlddisneyisch), welche ich unbedingt nach Deutschland importieren moechte.

10. Argentiniens Zeit ist unbestaendig Und laeft aehnlich wie meine innere Uhr etas langsamer als der uebliche, mondiale Takt. Ich frage einen Argentinier wie lange ich laufen muss, bis zum Hostel von Augustin und es dauert das dreifache an Zeit. Selbst ohne Verlaufen haette ich das Doppelte gebraucht. Ich frage wann das Rodeo anfaengt und man sagt mir so irgendwann um 14 bis 18 Uhr. Wie weit ist es zum Rodeo? 30 statt 15 Minuten. Wann faehrt der Bus? Jede Stunde irgendwann. Mein Reisebus hat Verspaetung? Wie lange? Die Antwort kennt man schon. Und warum? Señorita, Sie sind hier in Argentinien. (Achso!). Genauso sehen auch Wegbeschreibungen aus, die uebrigens immer mit “aaah, es muy facil” beginnen. Von wegen.

Argentinien ist urspruenglich und echt und es fuehlt sich wirklich gut an hier zu sein. Nur zurzeit sitze ich leider in einem Internet Café an einem Ort, den man sich nicht vortsellen kann und besser auch nicht moechte. Selbst ein Foto ist mir zu schade. Die Atlantikkueste in diesem Gebiet ist oede und windig, selbst das Meer langweilt sich und schlaegt noch nichtmal richtig Wellen. Leiden gibt es hier Staedtchen mit Menschen, die keine, aber auch noch nichtmal den Hauch einer Ahnung von Architektur, Buergersteigen, Umweltbewusstsein und Muellbeseitigung haben. Der Wind fegt hier alles was an Plastik weggeworfen wird (Tueten, Flaschen, Fetzen, Planen, Papiere etc.) durch die Gegend und es bleibt an den haesslichen Zaeunen, Bueschen und Baeumen ueberall haengen samt des Sandes und der gelblichen Erde ueberall. Die Gegend hat schon sowiso kein Gruen und so wird auch das letzte Pflaenzchen verschandelt. Es gkleicht einer Arbeiter- und Gesiterstadt. Es gibt keine Cafes und Restaurants wo man sich den Tag vertreiben koennte, und wenn, dann sind sie fest verschlossen. Seit dem Bahnhof muss ich dringend auf’s Klo, fuer die Bahnhofstoilette hatte ich noch keine Uebrwindung, doch Stunden spaeter bereute ich dies.  Dafuer steht hier ein Schnickschnack-Laden, Autohandel und -reparatur hinter dem anderen. Gefruehstueckt und Zaehne geputzt hab ich erleichternd an einer ordentlichen Tankstelle und das einzige Internetcafe wiederum eine halbe Studne Fussweg entfernt, verbindet sich nur wahllos mit dem Netz. Leider muss ich hier 14 Stunden lang bleiben, was ich wohl eher Sturheit von mir war als Einsicht. Denn Augustin schimpfte mich gefuehlte 10 Minuten lang aus, als er erfuhr welche Busverbindung ich gebucht hatte. Er haette mir doch genau erklaert, ich solle auf gar keinen Fall laenger in Caleta bleiben als eine Stunde und dann irgendeinen Omnibus nach El Calafate nehmen. Aber ehrlich gesagt, hatte weder die Agentur noch ich einen Omnibus hier ausfindig machen koennen und so hatte ich wenigsten etwas Meer mit tausend Quallen, Sonne und dann doch Internet statt 28 Stunden lang Busfahren am Stueck und nachts in Calafate ankommen. So komme ich morgen tagsueber an, hab eine Nacht im gemuetlichen Cama-Bus, dessen Sitz fast einem Bett entspricht.

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Die Autorin

Gestaltung und Texte entspringen meistens aus meinen wirren Gedanken. Fotos, Lektorat und Kritik fallen in Matthias‘ Bereich. Geht aber auch anders herum. Schreiben und kreatives Zeug gehören zu meiner Leidenschaft und ich freue mich, wenn ich Menschen dadurch zum Lesen, Reisen, Träumen, Nachdenken oder Schmunzeln bringe. Viel Freude also hier auf unserer Familien-Reise-Abenteuer-Seite! Eure Miri

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